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Der Österreicher, der die Hatscheks zum Klingen bringt

Seit 1995 ist der österreichische Bariton Martino Hammerle-Bortolotti eng mit der Stadt Brünn verbunden. 1999 debütierte er an der Brünner Oper als Papageno in Mozarts "Zauberflöte" und gastierte an mehreren tschechischen Bühnen, unter anderem in Inszenierungen der Werke von Rossini und Donizetti, lernte aber auch die Musik Smetanas und Janáčeks kennen.

Bereits zum wiederholten Male ist der Bariton beim alljährlichen Klassikkonzert "Formen der Musik" in seiner mährischen Wahlheimat Brünn aufgetreten. Der Komponist Zdeněk Fibich liegt ihm besonders am Herzen. Hammerle-Bortolotti ist der erste Österreicher, der mehrmals bei einem öffentlichen Anlass die tschechische Nationalhymne singen durfte. In den nächsten Wochen steht für den Sänger eine Reihe an Weihnachtskonzerten auf dem Terminkalender. Das Magazin Powidl bat Martino Hammerle-Bortolotti zum Gespräch. 

Bariton Martino Hammerle-Bortolotti

Bild: www.martino.at 

Herr Hammerle-Bortolotti, nun werden es bald drei Jahrzehnte, in denen Sie in Brünn leben. Wie kam es dazu, dass Sie diese Stadt für sich entdeckt haben? 

Da sieht man, wie die Zeit vergeht. Ich hatte damals beschlossen, in Brünn Gesang zu studieren. Ich kann mich genau noch erinnern, als ich 1995 am Brünner Hauptbahnhof ankam. Ich hatte nur einen Koffer. Es war an einem nebeligen Januartag. Das Wetter war recht trüb, nichtsdestotrotz war es für mich ein Tag voll guter Laune. Abgeholt wurde ich von meinem Gesangslehrer, einem bekannten Bariton damals an der Brünner Oper.

Als junger Künstler in ein fremdes Land zu kommen, ist gewiss nicht einfach. Wie haben Sie es geschafft, im Tschechien der 1990-er Jahre Fuß zu fassen? 

Ich hatte eigentlich sofort Anschluss gefunden und viele liebe Menschen kennengelernt. Einige von ihnen haben mir auch in entscheidender Weise geholfen. Um zunächst einmal Geld zu verdienen und einem geregelten Tagesablauf nachzukommen, habe als Deutschlehrer in verschiedenen Sprachschulen zu arbeiten begonnen. Die Sprachschulen erlebten damals einen regelrechten Boom, da ja ein großer Aufholbedarf an deutschen und englischen Sprachkenntnissen herrschte. Das Unterrichten hat mir immer viel Spaß gemacht. Nach und nach habe ich dann auch Tschechisch gelernt. Es ist eine schwierige Sprache, nicht nur für Ausländer, sondern sogar für die Tschechen selbst. Und noch heute mache ich viele Fehler.

Sie leben nicht nur in Brünn, sondern abwechselnd auch in Florenz und Wien. Das sind Städte in drei verschiedenen Ländern mit verschiedenen Musiktraditionen, wenn wir die Welt der Oper betrachten. Wodurch zeichnet sich Ihrer Meinung nach das tschechische Publikum aus? 

Wenn man von Mentalität oder Menschenschlag reden kann, dann gibt es natürlich Unterschiede aus den verschiedensten Gründen. Aber ohne Zweifel sind alle drei Länder, Österreich, Tschechien und Italien, große Kulturnationen. Italien ist zwar das Geburtsland der Oper, aber Musik generell hat nicht den höchsten Stellenwert innerhalb der Bevölkerung. Da gibt es noch viel anderes. In Wien wiederum dreht sich mehr oder weniger alles um Musik. Eben eine echte Musikhauptstadt. In Tschechien hat die musikalische Ausbildung einen traditionell hohen Stellenwert, das landesweite System der Musikschulen ist einzigartig und man findet hier hervorragende Lehrer und Absolventen. Das tschechische Publikum ist sehr musikinteressiert und ein Konzert- oder Theaterbesuch gehört mit zum Freizeitvergnügen. 

Das tschechische Publikum, so scheint es, war von Ihrem jüngsten Konzert aus der Reihe "Formen der Musik" sehr begeistert. Hat diese Konzertreihe hat für Sie einen besonderen Stellenwert?  

Ja, sehr sogar! Dieses Konzert ist eine bemerkenswerte Veranstaltung in mehrerlei Hinsicht, nicht nur innerhalb des alljährlichen Brünner Festivals "Babylonfest" an sich, sondern auch im Bezug auf das ganzjährige kulturelle Geschehen der Stadt Brünn. Auf dem Podium stehen nämlich Musiker verschiedener Nationalitäten, welche die gesetzlich anerkannten Minderheiten in Tschechien repräsentieren und gewissermaßen als musikalische Botschafter fungieren dürfen. Infolgedessen ergibt sich eine ganz bunt gemischte Zusammenstellung von Werken ganz unterschiedlicher Komponisten, die in dieser Art und Weise völlig zu Recht als einmalig bezeichnet werden darf.

Für Ihren diesjährigen Auftritt haben Sie wiederum eine Arie von Zdeněk Fibich ausgewählt. Was fasziniert Sie an diesem tschechischen Komponisten? 

Mir gefällt Fibichs Musik und mir gefällt auch Fibichs Lebensgeschichte. Seine Mutter war ja Wienerin, sein Vater ein tschechischer Oberförster. Allein diese "Mischung" ist mir schon sympathisch. Fibich ist ja leider recht jung verstorben, im Jahre 1900. Er wurde nur 50 Jahre alt. Seinen Geburtsort, ein Forsthaus am Waldrand in der Nähe des malerischen Dorfs Všebořice, habe ich sogar zweimal besucht. Es ist ganz leicht zu finden. Es liegt unweit an der Autobahn D1 Brünn – Prag, Ausfahrt 66 "Čechtice". Von da an fährt man durch eine sehr liebliche Landschaft und ist nach etwa 8 Autominuten am Ziel angelangt. 

Beim diesjährigen Konzert haben Sie die Arie des Lambro aus Fibichs Oper "Hedy" vorgestellt. Es ist wohl eine besonders schwierige Aufgabe für einen österreichischer Sänger, den Anforderungen dieser tschechischsprachigen Arie zu entsprechen. 

Es ist wahr, dass diese Arie sehr anspruchsvoll ist, nicht nur stimmlich, sondern auch ausdrucksmäßig. Sie ist sehr dramatisch. Kurz erzählt, es geht um den Piratenkapitän Lambro, der von einer Seefahrt zurückkehrt und draufkommt, dass seine Tochter vor seinem Haus mit einem - natürlich unliebsamen - Bräutigam Hochzeit feiert. Die Arie beginnt mit einem äußerst spannenden Rezitativ, darauf folgt ein schneller Anfangsteil, der in einen etwas lyrischeren, aber hoch liegenden Mittelteil übergeht. Und dann der grandiose Schlussteil, bei dem die sprichwörtliche "Post abgeht", der mit einem lang anhaltenden, hohen G seinen effektvollen Abschluss findet. Eine unglaublich spannende Arie, ein unglaubliches Werk.

Für jemanden mit deutscher Muttersprache ist es ja schon eine Herausforderung, Tschechisch zu sprechen. Sind die Tschechen besonders kritisch, wenn jemand Fremder in ihrer Sprache singt? 

Ich meine, ja, aber das heißt eher, sie waren sehr kritisch. Heute trifft man auch hier immer wieder auf ausländische Sängerinnen und Sänger, welche die traditionellen Werke des Opernrepertoires interpretieren. Das Publikum stört ein ausländischer Akzent nicht mehr so sehr, im Gegenteil, oft wird die Interpretation durch einen ausländischen Künstler sogar als faszinierend und reizvoll empfunden. Wir in Österreich haben uns ja auch schon längst an ausländische Sänger gewöhnt.

In Ihrem Repertoire haben Sie auch eine beachtliche Anzahl von Hymnen. Sind Sie jetzt auch ein Hymnensänger geworden? 

Ja, so könnte man das sagen. Die tschechische Nationalhymne "Kde domov můj" ("Wo ist meine Heimat?") habe ich bereits dreimal in meinem Leben gesungen. Für einen Österreicher, für einen Ausländer in Tschechien ist das eine große Ehre und Wertschätzung. Diese Nationalhymne war heuer als Schlusspunkt des "Internationalen Treffens der Meister des Rad- und Kutschenhandwerks und der Zügelmeister" in Čechy pod Kosířem unweit von Olmütz angesetzt, und zwar um 22.30 Uhr vor etwa 2000 tschechischen Besuchern, die alle - logischerweise - Text und Melodie auswendig kennen. Lampenfieber kenne ich eigentlich nicht, aber in Čechy hatte ich dann doch auf einmal Herzklopfen vor Beginn des Auftritts bekommen. Im Herbst ist dann auch noch die Hl.-Wenzels-Hymne dazugekommen. Die österreichische Kaiserhymne habe ich gleich mehrmals gesungen, sowohl in Deutsch als auch in Italienisch und Tschechisch, im November 2023 sogar in der Wiener Hofburg.

Hammerle-Bortolotti mit der k.k. Militärmusik Brünn zum tschechischen Staatsfeiertag am 28. 10. 2023
in den Denis-Parkanlagen in Brünn. 

Bild: Martino Hammerle-Bortolotti

Wann wird man Sie in der nächsten Zeit hören können? 

Ich liebe Weihnachten und die Weihnachtszeit, und es kommt eine ganze Reihe von Weihnachtskonzerten auf mich zu. Auf dem Programm stehen natürlich die bekannten Weihnachtslieder, aber auch unbekannte, zudem die Arie aus Bachs Weihnachtsoratorium und die herrlichen Weihnachtskantaten von Georg Philipp Telemann, die ich ja so sehr liebe. Mit dabei ist heuer auch ein Trompetenensemble der Brünner Philharmoniker unter der Leitung von Herrn Petr Hojáč, der mit den Festfanfaren von Antonio Salieri bestimmt für die richtige Weihnachtsstimmung sorgen wird. Darüber hinaus gibt es ein Wiedersehen mit dem Iglauer Konzertchor "Melodie" unter der Leitung von Herrn Pavel Salák, sowie mit den Kindern des Österreichischen Gymnasiums in Prag unter der Leitung von Frau Romana Kaduchová. Ich freue mich unheimlich auf diese abwechslungsreiche Zusammenarbeit. 

Vielen Dank für Ihr Gespräch und weiterhin alles Gute!

Auch ich bedanke mich für die Möglichkeit zu diesem Gespräch und wünsche allen Lesern des Online-Magazins POWIDL.EU fröhliche und geruhsame Weihnachten und viel Glück und Gesundheit im neuen Jahr 2024. 


Zur Person:

Martino Hammerle-Bortolotti (* 25. Juli 1969 in Innsbruck) ist ein österreichischer Opern- und Konzertsänger der Stimmlage Bariton, Arrangeur, Musikforscher und Übersetzer. Er lebt seit 1995 in Brünn und abwechselnd auch in Wien und Florenz. Er trat mit Soloabenden in verschiedenen Städten in Deutschland, Italien, Österreich, Polen, Tschechien und der Slowakei auf. Aus Anlass der 300. Wiederkehr des Geburtstages von Kaiserin Maria Theresia im Jahr 2017 arrangierte er den ersten Teil des Maria-Theresianischen Gesangsbuchs für Bariton und Bläserquintett. Die 24 Lieder wurden im Rahmen der Napoleonischen Tage 2017 auf Schloss Austerlitz sowie bei den Festtagen "Audienz bei Kaiser Karl I." in Brandeis an der Elbe aufgeführt. Weiters bearbeitete er das Notenmaterial für Teile der vergessenen Oper "Die Templer in Mähren" von Karel Šebor, die 2018 bei einem Konzert in der Schlossreithalle in Valtice vorgestellt wurden. 2019 verfasste er für die tschechische Theateragentur Dilia neues Orchestermaterial der Oper "Hedy" von Zdeněk Fibich. Im Jahre 2022 erstellte er komplett neues und digitalisiertes Notenmaterial der Kantate "Der Tyroler Landsturm" von Antonio Salieri. Er sang mehrmals die österreichische Kaiserhymne sowie den St.-Wenzels-Choral und - als erster Österreicher und wahrscheinlich als erster Ausländer in der Geschichte überhaupt – mehrmals die tschechische Nationalhymne live in Tschechien.


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