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24 Aug
68er-Gedenken: "Freiheit ist nicht selbstverständlich"

Das Gedenken an die Niederschlagung des Prager Frühlings von 1968 hat sich in seiner Wahrnehmung in der tschechischen Bevölkerung im heurigen Jahr schlagartig verändert. In den letzten Jahren war der 21. August vor allem ein Erinnerungstag an ein historisches Ereignis, der das Ende der Sommerferien einläutete. Im Lichte des Ukrainekrieges wurde jedoch bewusst, dass in Europa ein Einmarsch fremder Truppen, so wie er sich einst in der Tschechoslowakei ereignet hat, nicht mehr denkunmöglich ist. "Freiheit ist nicht selbstverständlich" war der Tenor der Festreden, die von den tschechischen Politikern zum 68er-Gedenken gehalten worden sind. 

Das Rundfunkgebäude in der Weinberger Hauptstraße (Vinohradská) war 1968 ein bedeutendes strategisches Ziel 

Bild: Twitter/Petr Fiala

"Das Gedenken an die Besatzung war noch nie so aktuell wie heute", begann Premier Petr Fiala (ODS) seine Rede vor dem Sitz des Tschechischen Rundfunks anlässlich des Jahrestages der Ereignisse vom August 1968. "Russische Panzer rollen wieder durch ein anderes Land. Für einige mag der Krieg in der Ukraine das Ende der Illusion bedeuten, dass der russische Imperialismus mit dem Kommunismus untergegangen ist", so Fiala weiter. Věra Kovářová (STAN), Vizepräsidentin des Unterhauses im Parlament, erinnerte: "Wir haben weder 1938 gegen die Deutschen noch 1968 gegen die Sowjets gekämpft. Der Preis, den wir dafür bezahlt haben, war enorm." Zdeněk Hřib (Piraten), Bürgermeister von Prag, ergänzte: "Wir müssen uns daran erinnern, was wir hier noch haben: Freiheit und Demokratie. Wir müssen die Staaten unterstützen, die für ihre Freiheit und Demokratie kämpfen."

Die Feierlichkeiten fanden an einem geschichtsträchtigen Ort statt. Der Kampf um das Radio ist zu einem der Symbole der Prager Besetzung geworden. Die Menschen verteidigten es gegen die Soldaten des Warschauer Paktes, die nach dem Einmarsch der Armee in die Hauptstadt eindrangen und das Rundfunkgebäude teilweise zerstörten. Allein bis Ende 1968 forderte die Besetzung in der Tschechoslowakei 137 Opfer, etwa 500 Schwerverletzte und Hunderte von Leichtverletzten, so das Institut für das Studium totalitärer Regime.


Kampf um die Kontrolle des Rundfunks
In diesem Jahr hat der Server iRozhlas.cz eine Zusammenfassung der interessantesten Projekte und Artikel des Tschechischen Rundfunks vorbereitet, die der Sender und die Website im Laufe der Jahre anlässlich der vergangenen Jahrestage der Besetzung vorbereitet haben.

Erinnert wird unter anderem an den legendären Bericht des damaligen Moderators Vladimír Fišer. "Gestern, am 20. August 1968, gegen 23.00 Uhr, überschritten die Truppen der Sowjetunion, der Volksrepublik Polen, der Deutschen Demokratischen Republik, der Ungarischen Volksrepublik und der Bulgarischen Volksrepublik die Staatsgrenze der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik. Dies geschah ohne Wissen des Präsidenten der Republik, des Präsidenten der Nationalversammlung, des Ministerpräsidenten und des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und deren Gremien", hieß es in der Nacht.
Während der ersten, erdrückenden Tage der Besetzung sprachen auch die Stimmen anderer Redakteure wie Eva Kopecká, Věra Štovíčková und Jiří Dienstbier zu den Zuhörern. Sie riefen zum ruhigen und stillen Widerstand gegen die Besatzer auf, selbst in Momenten, in denen der Klang von Schüssen und das Grollen von Panzern in der Luft zu hören war.

Die Spitzenpolitiker wurden in die Sowjetunion gebracht, wo sie anschließend das so genannte Moskauer Protokoll unterzeichneten. Damit wurde die Besetzung bestätigt und die Unterwerfung unter die Sowjetunion vollzogen. Sie wurde von neunzehn führenden Vertretern des Staates und der regierenden Kommunistischen Partei unterzeichnet. Der einzige, der nicht unterschrieben hat, war František Kriegel, der Vorsitzende der Nationalen Front.

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