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05 Dec
Das Problem mit "Fake News" in Tschechien und Österreich

Wir leben im Informationszeitalter - aber was sind denn genau diese Informationen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind? Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Tschechischen Rundfunks kam es im Tschechischen Zentrum Wien zu einer tschechisch-österreichischen Diskussion rund um das Thema Desinformation. Unter der Moderation von Ferdinand Hauser von Radio Prag International diskutierten am 5. Dezember Petr Jan Vinš, Projektkoordinator im Prague Security Studies Institute (PSSI), der Leiter der Abteilung Faktencheck bei der Autria Presse Agentur (APA), Florian Schmidt, und die Buchautorin und Profil-Kolumnistin Ingrid Brodnig.

Grafik: Tschechisches Zentrum Wien/Tereza Kodlová

Petr Jan Vinš, Theologe und altkatholischer Geistlicher, ist der Projektkoordinator des PSSI im Programm für regionale Sicherheit. Seine Fachgebiete sind die Überwachung und Bekämpfung von Desinformation, sowie die Themen Informationssicherheit, strategische Kommunikation und hybride Kriegsführung. Er kam im April 2022 zum PSSI, nachdem er mehrere Jahre in einer leitenden Position im NGO-Sektor tätig war.

Die Frage, ob sich Tschechien in einem Informationskrieg befindet beantwortete er klar mit einem "Ja". Seiner Ansicht nach hätten sich die Fälle von tschechischsprachigen "Fake News" seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine vervielfacht. Es werden vornehmlich die Emotionen von Usern sozialer Netzwerke angesprochen, um eine blitzartige Verbreitung der gefälschten Informationen zu bewirken. Als Beispiele wurden zwei Darstellungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Netz genannt - einmal in einem Fußballdress mit Hakenkreuz, und einmal als Teilnehmer einer Gay-Parade. Beim ersten Bild konnte nachgewiesen werden, dass das Hakenkreuz aus der am Trikot aufgedruckten Spielernummer 25 "zusammengebastelt" worden ist, das zweite Beispiel entpuppte sich als simple Fotomontage.

Der Nachweis einer Fälschung nehme viel Zeit in Anspruch, und ein enttarntes Fake kann die Emotionen, die bei den Usern bereits erzeugt worden sind, nicht mehr rückgängig machen, so Vinš.

Wer sei denn für die Verbreitung von Desinformation in der Tschechischen Republik verantwortlich? Vinš antwortete: "Vieles wird in Tschechien selbst gemacht, vieles stammt aber auch aus Russland - als Teil der Hybriden Kriegsführung." Der Faktenchecker fügte jedoch hinzu, dass die Desinformationsquellen nicht direkt von Russland koordiniert werden.

Grundsätzlich stehen nicht nur ideologische Ziele, sondern vor allem finanzielle Interessen bei der Verbreitung von Fake News in Vordergrund. Neben den "Predigern" (Ideologen) bedienen sich auch die Gruppen der "Händler", der "Esoteriker" und der "Heiler" dieser Methoden. 

Im Durchschnitt stammen 30 Prozent der Einnahmen von Webseiten, die Formen von Desinformation verbreiten, aus Werbung. Vinš berichtete, dass in Tschechien begonnen wurde, Screenshots von den Fake News gemeinsam mit den nebenstehenden Inseraten anzufertigen und die werbenden Unternehmen damit zu konfrontieren. Diese Methode habe sich sehr gut bewährt, denn manche Firmen seien sich gar nicht bewusst, in welchem Umfeld ihre Werbung geschalten wird.

Vinš präsentierte weiters eine Umfrage, die landesweit in Tschechien durchgeführt worden ist. Kernfrage war dabei: "Soll aufgrund der steigenden Zahl an Falschmeldungen das Internet stärker reglementiert werden?" 48 Prozent sprachen sich hier für Einschränkungen aus, während 40 Prozent dagegen waren.

Ingrid Brodnig meinte, man solle anstatt neue Reglementierungen einzuführen besser die bestehenden Gesetze nutzen. Die Buchautorin plädierte dafür, die Plattformen im Internet in die Pflicht zu nehmen. Opfern von Desinformations-Kampagnen soll es erleichtert werden, zu klagen.

Mit der Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz werde es künftig immer schwieriger, Desinformation zu enttarnen. Das treffe besonders auf das Bildmaterial zu. Brodnig erklärte, sie bevorzuge in der Diskussion den Begriff "Desinformation", da der Terminus "Fake News" seit dem US-Präsidentschafts-Wahlkampf von 2016 politisch instrumentalisiert sei.

Florian Schmidt leitet die Abteilung Faktencheck bei der APA. Er meinte, Menschen, die Fake News glauben, tun dies aus zweierlei Gründen: einerseits die Suche nach Anerkennung, denn es gebe für Menschen immer einen Drang, für komplexe Sachverhalte einfache Lösungen zu präsentieren, somit als "Experte" zu gelten. Die andere wichtige Motivation ist das "Dagegensein aus Prinzip", die Lust, gegen den Strom zu schwimmen.

Die Beweggründe, Fake News zu bereiten, sieht Schmidt in Österreich gleich wie in Tschechien. Neben den politischen Zielen gehe es den Betreibern vor allem um finanzielle Vorteile.


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