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15 Jul
Die tschechische Schattenwirtschaft ist auf dem Vormarsch

Die Covid-Pandemie hat viele Menschen in die Grauzone getrieben. Das Zentrum für Wirtschafts- und Marktanalyse schätzt, dass zwischen 214.000 und 535.000 Menschen von der Einkommensarmut bedroht sind und an der Grenze der Schattenwirtschaft leben. Basierend auf statistischen Schätzungen entfällt etwa ein Zehntel des BIP auf die Schattenwirtschaft, davon ist etwa ein Zwanzigstel illegalen Aktivitäten wie Drogenhandel oder Prostitution zuzuschreiben. 

Bild: 123site/Pixabay 

Die große Varianz ist unter anderem auf unterschiedliche Methoden zur Messung der Schattenwirtschaft zurückzuführen. Darüber hinaus ändert sich die Zahl der Personen "außerhalb des offiziellen Systems" im Lauf des Jahres stark. "Manche Menschen zum Beispiel machen auf das Jahr gerechnet nur zeitweise illegale Geschäfte, andere arbeiten schwarz, bis sie einen Job finden. Oder einige nehmen die Sozialhilfe in Anspruch und arbeiten schwarz", sagte CETA-Forschungsdirektor Aleš Rod. Covid vergrößerte die Reichweite der Schattenwirtschaft. Durch die Krise haben offenbar einzelne Menschen viele ihrer Aktivitäten in die Grauzone verlagert. Vieles deutet auf einen Übergang zu einer Bargeldwirtschaft hin. Nach offiziellen Angaben sendet nur noch etwa ein Drittel der registrierten Steuerzahler Daten an das System. "Es besteht die Befürchtung, dass sich dieser Trend im Wachstum der Schattenwirtschaft (Nichtanerkennung von Umsätzen) widerspiegeln wird und in weiterer Folge auch Lohnauszahlungen ganz oder teilweise schwarz erfolgen werden", sagte Rod. "Gerade in stark von der Krise betroffenen Branchen ist ein solches Verhalten oft die letzte Überlebenschance, sowohl für den Unternehmer als auch für seine Mitarbeiter", so Rod weiter.

Nach statistischen Schätzungen macht der Anteil der Schattenwirtschaft etwa 10 Prozent des BIP aus. Kreditgeber sprechen ebenfalls von den Signalen einer stärkeren Grauzone. "Viele Kunden bestätigen bei der Beantragung eines Kredits, dass ihr offizielles Einkommen geringer ist, um staatliche Beihilfen in Anspruch nehmen zu können. Gleichzeitig geben sie jedoch an, dass sich ihre Situation nicht geändert habe. Dies zeigt sich vor allem im Segment der Dienstleistungen bei kleinen Unternehmen wie Friseuren und Kosmetikerinnen, die begannen, niedrigere oder gar keine Einnahmen zu verbuchen, während sie normal weitergearbeitet haben", sagte der Gründer und Chef der Finanz- und Beteiligungsgesellschaft CFIG, Martin Chovanec.

Zudem warnte Provident-Finanzanalyst Luboš Kratochvíl vor Krediten in der Schattenwirtschaft. "Die Kreditaufsicht legt für Unternehmen wie Provident strenge Regeln fest, um die Kreditwürdigkeit von Kunden zu überprüfen. Auflagen, die nicht jeder Kunde erfüllen kann. Dies ist jedoch ein Anstoß für die Substitution des amtlichen Marktes durch den inoffiziellen Markt. Wir erleben das Wachstum von Angeboten von inoffiziellen Kreditprodukten in verschiedenen Foren oder Gruppen in sozialen Netzwerken - der Kreditnehmer befindet sich bei solchen Geschäften immer in einer ungünstigen Position", sagte er.

Tschechen lieben Bargeld. Der Banknoten- und Münzumlauf ist auf ein Rekordhoch gestiegen.

Der Ökonom von Capitalinked.com, Radim Dohnal, wies darauf hin, dass die Schattenwirtschaft während der Pandemie nicht so stark gestiegen sei, wie man es hätte erwarten können. "Mit Blick auf die harten Daten, also die Erfüllung des Staatshaushalts, sehen wir, dass die Mehrwertsteuererhebung im ersten Halbjahr 2021 um 2,5 Prozent höher war als im Jahr 2019. Inklusive des Anstiegs der Verbraucherpreise sank die Mehrwertsteuererhebung um 3,2 Prozent real gegenüber 2019", sagte Dohnal.

Tomáš Konvička, CEO von Fair Credit, glaubt, dass Arbeitgeber in einigen Branchen versucht haben, mit Unterstützung staatlicher Programme wie Antivirus gute Arbeiter zu halten, selbst auf Kosten gewisser "Subventionen" aus eigenen Mitteln. Auf der anderen Seite verlangen viele Unternehmen mittlerweile Barzahlungen. Auch dort, wo bisher Kartenzahlung möglich war.
"Vor allem im Baugewerbe und in der Landwirtschaft ist mit einer erhöhten Nachfrage nach Arbeitskräften im Bereich der 'grauen Wirtschaft' zu rechnen. Hauptsächlich aufgrund der Saisonalität und der Abwesenheit einiger ausländischer Arbeitnehmer, die sich aufgrund von Reisebeschränkungen entschieden haben, in ihren Heimatländern zu bleiben. Und auch aufgrund der Tatsache, dass die Entwicklung der Baustoffpreise dazu führen wird, dass laufende Bauprojekte so schnell wie möglich abgeschlossen werden", sagte Konvička.

Kreative Tschechen

Laut Rod ist der Anteil der Schattenwirtschaft generell in Sektoren mit vielen kleinen Bargeldtransaktionen am höchsten. Das sind Gastronomie-, Friseur- oder Beauty-Dienstleistungen, aber auch dort, wo eine teilweise anonyme Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer besteht, wie es im Bauwesen der Fall ist. Dazu kommen Einzelhandelsdienstleister wie Autowerkstätten und Reifenreparaturwerkstätten.

Internationale Studien zeigen, dass die Menschen in den Ländern des ehemaligen sozialistischen Lagers sehr kreativ in der Schattenwirtschaft sind. "Und Tschechien ist eines der kreativsten von ihnen. Die Überzeugung, dass es sinnvoll ist, Steuern zu zahlen, weil der Staat sie sinnvoll einsetzt, ist auf niedrigem Niveau. Steuerpatriotismus funktioniert gut, wo der Staat gut funktioniert", sagte Rod. Umgekehrt sinkt die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, wenn die Menschen überzeugt sind, dass sie für ihr Geld vom Staat "nichts bekommen".

Dabei spielt die Laffer-Kurve eine Rolle - ab einem bestimmten Betrag an Steuern sinkt die Zahlungsbereitschaft der Menschen in den Gemeinschaftsfonds, und die Gesamtsteuereinnahmen können sinken. Es geht nicht nur um Steuern. "Die Forschung bestätigt die Theorie des berühmten Ökonomen Gary Becker, dass nämlich neben der drohenden Bestrafung auch die Aufdeckungswahrscheinlichkeit eine entscheidende Rolle bei Regelverstößen spielt. Je geringer die Gefahr ist, erwischt zu werden, desto geringer ist die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, so dass generell die Motivation steigt, in die Schattenwirtschaft zu wechseln. Zum Beispiel hat das Finanzministerium durch die Schließung von EET und die Verlagerung von Mitarbeitern ein starkes Signal gesendet, dass die Wahrscheinlichkeit einer Aufdeckung sinkt", sagte Rod.

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