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03 Jul
Tschechien: "Hypothekendarlehen nur für Reiche"

So absurd es klingen mag - in Tschechien braucht man ein überdurchschnittliches Einkommen, um in den "Genuss" einer Hypothek zu kommen. Für junge Menschen ohne finanziellen Background der Eltern ist es fast unmöglich, an ein Eigenheim zu kommen. Ein Hypothekendarlehen zu bekommen allein ist schon ein Luxus - dazu kommt die langjährige Rückzahlungsverpflichtung von hohen Raten, der Eigenerlag von 10 bis 20 Prozent und die aufgrund von Wohnungsmangel und politischen Fehlleistungen stark gestiegenen Immobilienpreise.

Illustrationsbild: GettyImages

"Hypotheken sind nur noch einkommensstarken Haushalten vorbehalten. Das monatliche Nettoeinkommen derjenigen, die einen Immobilienkredit aufnehmen, übersteigt 90.000 Kronen (3.650 Euro)", sagte Jakub Seidler, Mitglied des Bankvorstands der tschechischen Nationalbank (ČNB). Der durchschnittliche Betrag einer neu gewährten Hypothek ist auf 4 Mio. Kronen (162.000 Euro) gestiegen, und die durchschnittliche monatliche Rückzahlung liegt bei 22 000 Kronen (890 Euro). Junge Menschen zieht es daher in Mietwohnungen, oder sie bleiben bei ihren Eltern.

"Wohnungen sind zu einem Investitionsinstrument geworden nicht zu einem Raum zum Leben."

Jakub Komárek, Wirtschaftswissenschaftler bei PAQ Research, wies darauf hin, dass nicht nur die hohen Preise das Problem sind, sondern das System selbst. "Nur ein Fünftel der Menschen kann sich heute eine eigene Immobilie leisten. Das ist eine Folge der staatlich geförderten Finanzialisierung des Wohnungsbaus und der unzureichenden Bautätigkeit an Orten mit hoher Nachfrage", so Komárek gegenüber dem Nachrichtenserver Novinky.cz. Seiner Meinung nach sind Wohnungen zu einem Investitionsinstrument geworden und nicht zu einem Raum zum Leben.

Vor allem die jungen Menschen können sich bei der derzeitigen Regierung bedanken die die ohnehin schon langwierigen Genehmigungsverfahren durch eine "Wird-schon-irgendwie-funktionieren"-Blitzdigitalisierung fast gänzlich zum erliegen brachte. Dazu kommen Preiserhöhungen bei Baumaterialien, erhöhte Lohnkosten, Planungsunsicherheit bei den Bauherrn und der Mangel an geeigneten Bauflächen in Ballungsgebieten. Im vergangenen Jahr wurden aufgrund der genannten Probleme so wenige Wohnungen fertiggestellt wie seit 2017 nicht mehr - nur 30.274, ein Fünftel weniger als im Vorjahr. 

150.000 Wohnungen sind in Vorbereitung, aber nichts geht weiter

Bei den Bauträgern liegt eine Rekordzahl fertiger Baupläne in den Schubladen, die zurzeit nicht realisiert werden können. Laut einer Analyse der Central Group befinden sich derzeit bis zu 150.000 neue Wohnungen in verschiedenen Stadien der Vorbereitung. Doch selbst wenn diese rasch gebaut werden würden, was illusorisch ist, würde der Wohnungsmangel weiterhin bestehen. Die Wohnungseigentümer freut es, sie können zusehen, wie ihre Immobilie immer wertvoller wird, und die Vermieter können die Preise in die Höhe treiben. Der Durchschnittsverdiener schaut aber durch die Finger.


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