
Der Vorsitzende der ANO-Bewegung, Andrej Babiš, hat beschlossen, die Holding Agrofert aufzugeben. In einem auf sozialen Netzwerken veröffentlichten Video erklärte er, dass er nichts mehr mit dem Unternehmen zu tun haben werde und auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik nicht zurückkehren werde. Die Aktien der Holding werden über eine Treuhandstruktur von einem unabhängigen Verwalter verwaltet und von einem unabhängigen Protektor kontrolliert. Beide werden von einer unabhängigen Person bestimmt. Babiš' Nachkommen erhalten Agrofert erst nach seinem Tod.

Babiš informierte über die Trennung von Agrofert via soziale Medien in einem Video
Bild: Facebook/Andrej Babiš (Video-Screenshot)
Präsident Petr Pavel forderte Babiš auf, noch vor seiner Ernennung zum Premier öffentlich bekannt zu geben, wie er den Interessenkonflikt lösen werde. "Damit habe ich die Forderung erfüllt, die der Präsident als Bedingung für meine Ernennung zum Ministerpräsidenten gestellt hatte", sagte Babiš.
In seinem Video bezeichnete der ANO-Chef seinen Interessenkonflikt als "vermeintlich". "Ich habe bereits vor den Wahlen klar versprochen, dass ich ihn so lösen werde, dass kein Zweifel daran besteht, dass ich alle Bedingungen des tschechischen und europäischen Rechts erfülle“, erklärte er. Er fügte hinzu, dass über seine Zukunft die Wähler entschieden hätten, die sich eindeutig dafür ausgesprochen hätten, wen sie als Regierungschef wollten. "Sicherlich hätte ich nach dem Wahlsieg aus der Politik ausscheiden und ein angenehmes Leben führen können, oder ANO hätte jemand anderen zum Premier ernennen können. Ich bin jedoch überzeugt, dass Sie dies als Verrat empfunden hätten", sagte er.
Der ANO-Chef fügte hinzu, dass er sich zu einem Schritt entschlossen habe, den er nie für möglich gehalten hätte. "Ich habe mich endgültig entschlossen, das Unternehmen Agrofert aufzugeben, mit dem ich nichts mehr zu tun haben werde. Ich werde es nie wieder besitzen, keine wirtschaftlichen Beziehungen mehr zu ihm unterhalten und keinen Kontakt mehr zu ihm haben", erklärte er. Er fügte hinzu, dass ihm dieser Schritt nicht leicht gefallen sei, da er das Unternehmen sein halbes Leben lang aufgebaut habe.
Die Lösung wurde laut Babiš von unabhängigen Experten vorgeschlagen. "Die Aktien von Agrofert werden über eine Treuhandstruktur von einem völlig unabhängigen Verwalter verwaltet, der von einem unabhängigen Protektor kontrolliert wird. Beide Personen werden vom Gründer des Fonds bestimmt, einer unabhängigen Person, die sich mit der Schaffung solcher Strukturen befasst", fügte Babiš hinzu. Voraussetzung ist, dass weder der Verwalter noch der Protektor ein Familienmitglied, eine mit Agrofert in irgendeiner Weise verbundene Person oder eine von dem Unternehmen oder Babiš abhängige Person sein darf.
"Die in der Satzung des Fonds enthaltenen Funktionsregeln und die Person des Treuhandverwalters gewährleisten eine unabhängige Verwaltung der Agrofert-Aktien und schließen aus, dass ich in Zukunft einen Vorteil aus den Aktien ziehen könnte. Ich werde also weder Begünstigter noch endgültiger Eigentümer sein. Ebenso wenig werden meine Kinder oder meine Frau Einfluss auf Agrofert haben oder finanziellen Nutzen daraus ziehen", fügte Babiš hinzu. Es handelt sich um eine unwiderrufliche Lösung, die Aktien werden nie an Babiš zurückgegeben. "Meine Kinder werden Agrofert erst nach meinem Tod erhalten", erklärte er.
Die Holding Agrofert ist in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie und Chemie tätig. Sie umfasst rund zweihundert Unternehmen in Tschechien und im Ausland. Zu ihr gehören beispielsweise die Chemieunternehmen Deza, Fatra, Lovochemie und Precheza oder die Lebensmittelunternehmen Kostelecké uzeniny, Krahulík und Penam. Kurz vor Bekanntgabe der Trennung von Babiš und Agrofert vermeldete die Holding den Kauf der niederländischen OCI Ammonia Holding und den Ausbau des Ammoniak-Geschäfts (siehe Bericht im POWIDL-Wirtschaftsteil). Die Agrofert-Holding beschäftigt 29.000 Mitarbeiter, davon etwa 18.000 in Tschechien. Damit gehört sie zu den größten privaten Arbeitgebern in Tschechien.
Präsident Pavel: Ernennung zum Premier am 9. Dezember
Präsident Pavel reagierte auf Babiš' Erklärung positiv. Für ihn sind jetzt die Voraussetzungen gegeben, dass der Chef der ANO-Bewegung das Amt des Premiers der Tschechischen Republik antreten kann.
"Der Präsident der Republik würdigt die verständliche Art und Weise, in der Andrej Babiš die Vereinbarung eingehalten und öffentlich bekannt gegeben hat, wie er seinen Interessenkonflikt lösen wird. Der Präsident kann nicht als Schiedsrichter über die gewählte Lösung entscheiden und verfügt auch nicht über die verfassungsmäßigen Befugnisse, die ihn zur Überprüfung des vorgeschlagenen Vorgehens berechtigen würden. Der Präsident hat von Anfang an in Übereinstimmung mit der Verfassung gefordert, dass der künftige Premier klar und öffentlich bekannt gibt, wie er diesen Konflikt lösen und wie er dem Gesetz nachkommen wird. Der Präsident betrachtet die von Andrej Babiš gewählte Lösung als eine öffentliche Verpflichtung, die er nicht nur ihm gegenüber, sondern vor allem gegenüber der gesamten tschechischen Öffentlichkeit eingegangen ist. Dabei wird auch die Art und Weise der Durchführung des gesamten Prozesses von Bedeutung sein.
Der Präsident ernennt Andrej Babiš am Dienstag, dem 9. Dezember, um 9:00 Uhr zum Premier", verlautbarte die Präsidentschaftskanzlei über den Sprecher Vít Kolář.
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