
Die offizielle Bestätigung, dass der Sudetendeutsche Tag (ST) 2026 in Brünn stattfinden wird, löste in der Stadt erwartungsgemäß Diskussionen aus. Der öffentlich-rechtliche Rundfunksender Český rozhlas Plus brachte einen Befürworter, den Abgeordneten zum Brünner Stadtparlament Matěj Holan, und einen Gegner der Veranstaltung, den Abgeordneten des Bezirks Brünn-Mitte, Roman Freimuth (SPD), vor das Mikrophon. Es mag Zufall sein oder eine Laune der Geschichte, dass ausgerechnet der Träger des tschechischen Namens für die sudetendeutsche Zusammenkunft in Brünn ist, während der Träger des deutschen Namens in der rechts und nationalistischen tschechischen SPD verankert ist und den ST in Brünn vehement bekämpft.

Gedenkstätte an die Opfer des Brünner Todesmarsches von 1945
Bild: Meeting Brno
Der SPD-Bezirksabgeordnete Roman Freimuth ist in den Sozialen Medien sehr aktiv und hat dort zur "Verteidigung der Nation" aufgerufen. Mit einem Foto von Präsident Edvard Beneš vom Mai 1945, als er einen Staat "nur für Tschechen und Slowaken" verkündete, wirbt Freimuth auf Facebook für die Initiative "Böhmen und Mährer gegen den Sudetendeutschen Tag in Brünn".
Matej Holan ist in Brünn bereits seit den 2010-er Jahren als politischer Aktivist bekannt, der mit seinen meist provokanten Projekten der tschechischen Bevölkerung den Spiegel vorhält und den Finger in offene Wunden hält. Mit seiner Rezeption der Geschehnisse in der unmittelbaren Nachkriegszeit eckt der Künstler und politische Freigeist in der Gesellschaft an. So war Holan einer der Initiatoren von Meeting Brno, eine Initiative, die sich mit der jüngeren Geschichte der Stadt auseinandersetzt und unter anderem den "Lebensmarsch" von Pohrlitz/Pohořelice nach Brünn - die umgekehrte Strecke des Brünner Todesmarsches von 1945 - ins Leben gerufen hat.
"Ich gehörte zu denen, die bereits im Juni gemeinsam mit Persönlichkeiten wie Kateřina Tučková, Milan Uhde, Anna Šabatová und dem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichts Pavel Rychetský die Sudetendeutschen und Bernd Posselt eingeladen hatten. Wir sind der Meinung, dass 81 Jahre nach dem Krieg genug Zeit vergangen ist, damit beide Nationalitäten, die sich die tschechischen Länder jahrhundertelang geteilt haben, zu unserer Vergangenheit zurückkehren können, zu dem, wie wir gemeinsam die tschechischen Länder geprägt haben. Und offen darüber zu sprechen, dass sowohl die Tschechen, als auch die Deutschen hier jahrhundertelang ihre Heimat hatten", meinte Holan.
Sein Diskussionspartner Freimuth sieht das anders: "Wissen Sie, ich empfinde den deutschen Landsmannschaft als eine große historische Last. Trotz ihrer neuen, 2015 verkündeten Veränderungen trägt diese Organisation immer noch das historische Stigma, das sie seit ihrer Gründung begleitet. Für einen Großteil der Öffentlichkeit war sie jahrzehntelang ein Symbol - und ist es sogar heute noch - für Revisionismus und die Infragestellung der Nachkriegsordnung. Auch für mich persönlich." Auf das Argument, dass seit den Ereignissen bereits über acht Jahrzehnte vergangen sind und sich auf beiden Seiten neue Generationen gegenüber stehen, entgegnete Freimuth: "Sehen Sie, das ist sehr schwierig. Hier leben Nachkommen derer, die im Zweiten Weltkrieg aufgrund der Verfolgung durch Nazi-Deutschland ums Leben gekommen sind. Dazu gehöre auch ich, denn meine Großmutter, meine Mutter und mein Vater wurden nach Theresienstadt und anschließend nach Polen deportiert und dort ermordet. Von Vergebung, Diskussion und Vergessen kann hier also keine Rede sein... Ich denke, davon kann keine Rede sein."
Dem widersprach Holan in der Diskussion: "Meine Kollegen und ich sind uns bewusst, dass dies einen Teil der Öffentlichkeit empören könnte, und wir sehen einen Weg darin, dass unsere ehemaligen deutschen Mitbürger bzw. deren Nachkommen nach Brünn kommen. Damit alle sehen können, dass 81 Jahre nach dem Krieg nichts mehr von diesen revisionistischen Ideen übrig ist. (...) Die heutigen Sudetendeutschen und ihre Landsmannschaften, so wie sie heute sind, können diese Geschichte sehr gut reflektieren und haben keine revisionistischen Ideen."
Freimuth: "Nun, auch wenn sie 2015 ihre Rhetorik geändert haben, so bestehen diese Ideen doch weiterhin und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Das ist es, worüber ich sprechen wollte, über die historischen Grundlagen der Sudetendeutschen Partei. Eine Reihe ehemaliger Funktionäre der Sudetendeutschen Partei, von denen viele später Mitglieder oder Mitarbeiter der nationalsozialistischen NSDAP und ihrer Unterorganisationen SS und SA waren, standen direkt an der Wiege der Nachkriegs-Sudetendeutschen Landsmannschaft. Dort waren dieselben Leute, die auch in der Sudetendeutschen Partei waren."
Dazu Holan: "Der gesamte Sudetendeutsche Tag in Brünn im Rahmen des Festivals Meeting Brno wird genau darum gehen, an die Geschichte und all das Schlechte zu erinnern, das im 20. Jahrhundert passiert ist. Und auch an die Jahrhunderte davor. Diese Geschichte war über Hunderte von Jahren hinweg sehr plastisch und interessant. Es ist wirklich an der Zeit, sich dem zu stellen. Ich möchte nicht davor weglaufen, dass die Gründer der Landsmannschaft zum Teil Henlein-Anhänger waren. Genauso wie Tschechoslowakei später zu einem abscheulichen kommunistischen Regime wurde und viele Menschen, die während des Nationalsozialismus kollaborierten, später überzeugte Kommunisten wurden. Das liegt hinter uns."
Die vollständige Diskussion in tschechischer Sprache kann man auf den Seiten von Český rozhlas Plus nachverfolgen.
Quelle: Český rozhlas Plus
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