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26 Sep
Frauen möchten nicht mehr "-ová" heißen

In Teilen Bayerns oder Österreichs kennt man es noch: Die "Huberische", die "Bergerin". Die Movierung, also die geschlechtsspezifische Abänderung des Familiennamens, ist fixer Bestandteil der tschechischen Sprache. Aber immer mehr Frauen wehren sich gegen das "-ová" im Namen. Die Endsilbe, die ein Besitzverhältnis des Mannes an der Frau zum Ausdruck bringt, sei nicht mehr mit der gesellschaftlichen Realität konform, argumentieren die GegnerInnen der Movierung und fordern Wahlfreiheit zwischen "Frau Dvořák" und "Frau Dvořáková". Die Debatte erhitzt zur Zeit Sprachwissenschaftler, sie wird bis zum Ende des Jahres im Prager Parlament weitergeführt, denn ein entsprechender Gesetzesentwurf ist bereits eingebracht. 

Bild: Nostalgiefoto 

Annegret Krampová-Karrenbauerová, Serena Williamsová oder Hillary Clintonová sind im tschechischen Sprachgebrauch mit -ová versehen, Angelina Jolie, Marylin Monroe und Romy Schneider (im Gegensatz zu ihrer Mutter Magda Schneiderová) nicht. Das Regelwerk, wie die tschechische Sprachwissenschaft mit Namen von Frauen aus dem nicht-tschechischen Sprachbereich umgeht, ist äußerst komplex. Für tschechischen Frauen ist die Rechtslage jedoch einfach. Die Frau führt die -ová-Endung (bei adjektivischen Namen, z.B. "Malý", die weibliche Form - Malá), es sei denn, sie lebt dauerhaft im Ausland, ist mit einem Ausländer verheiratet, oder gehört einer Minderheit an (z.B. eingebürgerte Vietnamesinnen).

Während Sprachwissenschaftler davor warnen, die Movierung abzuschaffen, plädiert der Piraten-Abgeordnete Ondřej Profant für die Entscheidungsfreiheit der Frau, ein "-ová" zu führen oder nicht. "In der heutigen globalisierten Welt arbeiten viele Frauen in multinationalen Unternehmen, halten Vorträge auf internationalen Konferenzen oder veröffentlichen im Ausland, und ein Familienname kann ihnen unnötige Probleme bereiten. In einigen Staaten können die Behörden beispielsweise nicht nachvollziehen, dass die Ehegatten verschiedene Nachnamen haben. Mein Ziel ist es daher nicht, die tschechische Sprache zu vergewaltigen, sondern die derzeitige Gesetzeslage an die Praxis anzupassen und so die Wahl aller Frauen zu ermöglichen, sich für den Nachnamen zu entscheiden", begründete Profant seine Ansicht.

Der Teufel steckt aber in der tschechischen Grammatik, die auf solche Änderungen keineswegs vorbereitet ist. Wie alle slawischen Sprachen, definiert das Tschechische die grammatischen Fälle über Deklinationsendungen. Endet ein Familienname auf einen Laut, der ein männliches Deklinationsschema erfordert, so kann er nicht weiblich dekliniert werden. Das heißt, die tschechische Sprache ist dann nicht mehr in der Lage, sich exakt und eindeutig auszudrücken. "Der Sinn der sogenannten Movierung, also der weiblichen Form, ist es, sich vor uneindeutigen Sätzen und Missverständnissen zu schützen. Die tschechische Sprache hat einen freien Satzbau, und durch die Movierung ist klar, welche Funktion der konkrete Name im Satz hat," erklärte Sprachwissenschaftlerin Markéta Pravdová von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften.

Im Laufe der Zeit haben vor allem in Städten Frauen vermehrt den Wunsch geäußert, alternativ die "männliche" Version ihres Familiennamen zu führen. In Prager Standesämtern hat man die Erfahrung gemacht, dass rund ein Viertel der neuvermählten Frauen zwar den Namen ihres Gatten annehmen möchten, allerdings ohne die besitzbezeichnende Endung. Seltener zwar, aber doch, wurden auch von Männern Änderungswünsche bekanntgegeben, die aus Solidaridät mit ihren Frauen eine männliche Movierung ("-ový") annehmen wollten.

Bis Ende des Jahres wird über eine mögliche Verwerfung der Movierung im Parlament debattiert und anschließend abgestimmt werden. Sollten Änderungen beschlossen werden, wären weite Teile der Bürokratie wie etwa das Meldewesen und die Ausfertigung von Dokumenten stark betroffen. Innenminister Jan Hamáček (ČSSD) sieht zwar Bedenken, kann sich aber auch Änderungen vorstellen. "Dem Innenministerium zufolge gibt es aber keine wesentlichen Gründe für eine solche Änderung. Unterschiedliche Nachnamen sind ein Kennzeichen des tschechischen Grammatiksystems. Ich persönlich denke, dass es von jedem abhängt, wie er sich selbst nennen will. Daher bin ich offen für die Debatte über eine Gesetzesänderung, die eine Umkehr der Regeln ermöglichen würde", so Hamáček.  

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