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20 Oct
Sprengstoff für die Koalition: Christdemokraten bestehen auf umstrittenen Ministerkandidaten

Die Bestellung eines neuen Umweltministers ist an sich kein spektakulärer Vorgang. Aber kaum ein Politiker macht derzeit in Tschechien so viel Schlagzeilen wie der christdemokratische Ministerkandidat und bis dato Brünner Planungsstadtrat und Vizebürgermeister Petr Hladík (KDU-ČSL). Dessen Büro war am 18. Oktober Ziel einer polizeilichen Durchsuchung. Ermittelt wird wegen Ungereimtheiten bei der Privatisierung städtischer Wohnungen und wegen Verdachtes auf Subventionsbetrug.

Das Führungsgremium der KDU-ČSL bestätigte Petr Hladík als Ministerkandidaten

Bild: KDU-ČSL Press service

Am Dienstag, dem 18. Oktober gab es in Brünn an verschiedenen Orten Razzien durch Einsatzkräfte des Nationalen Zentrums zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (NCOZ). Die Kriminalisten untersuchten unter anderem das Büro des scheidenden Planungsstadtrates Hladík, die Bezirksämter Brünn-Nord (Brno-Sever) und Brünn-Tschernowitz (Brno-Černovice), sowie eine Sandgrube im Bezirk Tschernowitz, deren Geschäftsführer ein prominentes Mitglied der KDU-ČSL ist. Die Polizei ermittelt gegen sieben Personen und zwei Unternehmen wegen Beteiligung an einer organisierten kriminellen Vereinigung, Bestechung und Geldwäsche. Petra Láníčková, eine Sprecherin des Stadtgerichts Brünn, informierte über die Anträge auf Inhaftierung. Die betroffenen sieben Personen befinden sich bereits in Untersuchungshaft. Sie fügte hinzu, dass die Beschuldigten vor Ort Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt hätten

Igor Veleba, einer der Verteidiger, bestätigte, dass sein Mandant vom Gericht in Untersuchungshaft genommen worden war, nannte aber nicht seinen Namen. "Ich vertrete einen der Angeklagten, der in Gewahrsam genommen wurde, und um die Privatsphäre zu schützen, werde ich die Identität meines Mandanten nicht preisgeben", sagte der Anwalt.

Laut Polizeidokumenten, die der Tageszeitung Právo in Kopie vorliegen, soll die Gruppe im Mai letzten Jahres gegründet und anschließend von Michal Horký geleitet worden sein, einem Immobilienunternehmer und Taxi-Unternehmer, der Hauptverdächtiger im Fall der Privatisierung der Brünner Wohnhäuser ist.

Die Polizei forderte auch Petr Hladík als stellvertretenden Vorsitzenden der KDU-ČSL, und als zu dem Zeitpunkt noch amtierenden zuständigen Stadtrat und Vizebürgermeister von Brünn auf, eine Erklärung abzugeben. Hladík nahm dazu gegenüber der Öffentlichkeit per Twitter Stellung und beteuerte, dass gegen ihn persönlich nicht ermittelt werde.

Am 20. Oktober übernahm die neue Brünner Stadtregierung die Amtsgeschäfte, und Hladík schied aus dem Amt, um in Prag das Umweltministerium der aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Ministerin Anna Hubáčková zu übernehmen. Aufgrund der Ereignisse berief das oberste Führungsgremium der KDU-ČSL eine Sitzung ein, um über die Nominierung Hladíks zu diskutieren. Die Parteiführung kam zu dem Entschluss, Hladík als Umweltminister zu bestätigen.

"Ich habe heute auch Premier Petr Fiala über das gesamte Verfahren informiert. Petr Hladík hat den besten Lebenslauf für das Amt des Umweltministers. Er ist ein erfahrener Manager und hat sich als Politiker seit vielen Jahren mit diesem Thema befasst. Er würde Dynamik und Fachwissen in das Ministerium einbringen, was angesichts der aktuellen internationalen Lage auch notwendig ist", sagte KDU-ČSL-Parteichef Marian Jurečka. 

Die Wogen aus Brünn sind bereits in der Prager Regierung angekommen, nachdem die Razzia im Rathaus der südmährischen Hauptstadt innenpolitisches Tagesthema geworden ist.  Premier Petr Fiala (ODS), der derzeit in Brüssel ist, kommentierte die Entscheidung des Koalitionspartners nur knapp. Er akzeptiere das Ergebnis der Sitzung des christdemokratischen Parteigremiums, er werde sich nach seiner Rückkehr nach Prag mit Hladík persönlich treffen, sagte er.

Es ist kein Geheimnis, dass sich Regierungskoalition einen lautloseren Wechsel im Umweltministerium gewünscht hätte. Auch wenn es keine Beschuldigung gegen Hladík selbst gibt, als zuständiger Stadtrat und als regionaler Parteichef hat die Reputation des Christdemokraten in dieser Causa zweifellos Schaden genommen. 

Die Causa Prima hat auch die Bildung der neuen Brünner Stadtregierung beeinflusst. War noch am Tag vor der Razzia der Koalitionsvertrag der sieben Parteien ODS, ANO, KDU-ČSL, TOP'09, die Bürgermeisterbewegung STAN, die Sozialdemokraten (ČSSD) und die Piraten, unter Dach und Fach, so beschloss die Piratenpartei als Reaktion auf die Ereignisse, der Koalition nicht beizutreten und in Opposition zu gehen. Die neue Brünner Führung unter der bestätigten Bürgermeisterin Markéta Vaňková (ODS) hat jedoch auch ohne Piraten eine satte Mehrheit im Brünner Stadtparlament.

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