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11 Apr
Trauer um Dissidentin und Charta 77-Unterzeichnerin Dana Němcová

Die Tschechische Republik hat eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Opposition gegen das totalitäre Regime in der ČSSR verloren. Die Dissidentin Dana Němcová starb am 11. April 2023 im Alter von 89 Jahren. Němcová war Erstunterzeichnerin der Charta 77, später war sie deren Sprecherin und Mitbegründerin des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten (VONS). Auch nach 1989 setzte sie sich für die Menschenrechte ein.

Dana Němcová im Jahr 2017

Bild: Ben Skála, Benfoto - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

"Ich habe für meine Kinder gegen das Regime gekämpft", sagte die siebenfache Mutter immer wieder, wenn sie nach den Beweggründen ihres Handelns gefragt wurde. Němcová war Erstunterzeichnerin und später Sprecherin der Charta 77. Ein Jahr nach der Gründung der Charta war sie Mitbegründerin des Komitees zur Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten (VONS), einer Organisation, die Opfern kommunistischer Ungerechtigkeit half. Němcová und ihr Mann organisierten während des Prozesses gegen Regimegegner unter anderen die Unterstützung für die verhafteten Mitglieder der Musikgruppe The Plastic People of the Universe.

Das VONS half bei der Suche nach Anwälten für die Verfolgten und erhielt von ihnen genaue Informationen über die Prozesse, die dann im Ausland verbreitet wurden. Später wurde Němcová selbst vor Gericht gestellt. Im Jahr 1979 wurde sie verhaftet und während ihres Prozesses mit weiteren Mitgliedern des VONS zu zwei Jahren Haft wegen "Umsturzes der Republik" verurteilt.

Die Dissidentin war unter dem kommunistischen Regime ständigen Schikanen, Verfolgungen, Verhören und Durchsuchungen ausgesetzt. Im Jahr 1983 wurde ihr Ehemann Jiří Němec, der sich ebenfalls gegen die Staatsmacht gestellt hat, im Rahmen der "Aktion Asanace" zum Verlassen der Tschechoslowakei gezwungen. Sie durfte nur als Reinigungskraft und Haushälterin arbeiten. Während der "Palach-Woche" im Januar 1989 wurde Němcová erneut verhaftet, als sie als Sprecherin der Charta 77 Blumen am St.-Wenzel-Denkmal niederlegen wollte.

Nach der Samtenen Revolution von 1989 saß Němcová kurzzeitig für das Bürgerforum (OF) im Parlament der ČSFR, setzte sich aber vor allem weiterhin für die Schwachen und Machtlosen in der Gesellschaft ein. Zusammen mit Olga Havlová war sie von Anfang an Mitglied des "Komitees des Guten Willens", das bis heute Menschen mit Behinderungen, verlassenen Kindern, alten und kranken Menschen hilft. Im Jahr 1992 gründete sie ihr Beratungszentrum für Flüchtlinge. Sechs Jahre später erhielt sie die Verdienstmedaille der Tschechischen Republik.

Würdigungen aus der tschechischen Politik

Nach Bekanntwerden des Todes von Dana Němcová würdigten die Spitzenpolitiker der Tschechischen Republik ihr Leben und Wirken. Besonders gespannt war die Öffentlichkeit auf die Reaktion von Staatspräsident Petr Pavel, der im Jahr 1985 der Kommunistischen Partei (KPČ) beigetreten ist und dessen Karriere in der Armee der ČSSR startete. Pavel bezeichnete Němcová als "Stimme des Dissenses" und Verteidigerin der Menschenrechte. "Sie gehörte zu denen, die das Böse erkannten und sie verriet niemals das, wofür sie durch ihr starkes persönliches Beispiel kämpfte", schrieb Pavel auf seinen Kanälen in den sozialen Medien.

Laut Premier Petr Fiala (ODS) war Němcová eine "außergewöhnliche und zutiefst menschliche Persönlichkeit", die durch ihren Einsatz für die Menschenrechte "einen wichtigen Beitrag zu Freiheit und Demokratie" geleistet hat.

"Sie zögerte nicht, dem Bösen mit Mut und Freundlichkeit zu begegnen. Wir ehren ihr Andenken und sprechen ihrer Familie unser Beileid aus. Es gibt nie genug gute Menschen wie sie", schrieb der Prager Bürgermeister Bohuslav Svoboda (ODS) auf Twitter.

"Eine tapfere Frau, ein unbestreitbares moralisches Vorbild. Sie hat niemandem ihren Glauben aufgedrängt, sie hat ihren Glauben gelebt", sagte Miroslav Kalousek, ehemaliger Finanzminister und Mitbegründer der liberalen Partei TOP'09. "Sie ließ sich von der Inhaftierung durch die kommunistische Diktatur nicht brechen und kämpfte gegen den Totalitarismus, weil sie nicht in einer Lüge leben wollte", twitterte die Präsidentin des Unterhauses und TOP'09-Parteichefin, Markéta Pekarová Adamová.


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