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18 May
Erhöhung der MWSt. für Zeitungen könnte für die Regierung ein Schuss ins Knie sein

Auf der krampfhaften Suche nach zusätzlichen Steuereinnahmen agiert die tschechische Regierung nicht immer glücklich. Die Anhebung der Mehrwertsteuer von 10 auf 21 Prozent bei Zeitungen wird laut Prognosen den Rückgang des Tageszeitungsmarktes von 10 Prozent im letzten Jahr auf 15 bis 20 Prozent in diesem Jahr beschleunigen. Neben der bevorstehenden Steuererhöhung stehen die Verlage bereits durch steigenden Kosten für Papier, Druck und Vertrieb unter Druck. Folglich erwägen einige Verleger realistischerweise, die Herausgabe von gedruckten Tageszeitungen einzustellen. Dies wird einen Dominoeffekt haben, der die Vertriebskosten für die verbleibenden Titel weiter in die Höhe treiben wird. 

Bild: Sokoljan – Vlastní dílo, Wikimedia Commons

Ältere Menschen werden sich Zeitungen kaum noch leisten können

Je teurer die Zeitungen werden, desto weniger Exemplare werden gekauft, erklärt Vít Nantl, Generaldirektor von Vltava Labe Media, a.s. Außerdem ist der Preis für den Vertrieb der Zeitungen in diesem Jahr bereits um 5 Kronen (21 Cent) pro Exemplar gestiegen, was dazu führt, dass die Verleger die derzeitigen Preise nicht halten können.

"Das durchschnittliche Jahresabonnement kostet bereits fast 7.000 Kronen (295 Euro), und jede Erhöhung des Preises für ein Zeitungsexemplar um eine Krone bedeutet eine Erhöhung um mehr als 300 Kronen (12,7 Euro) pro Jahr. Was bei Umlegung der Belastungen eine Erhöhung von 7 Kronen (30 Cent) pro Exemplar bedeutet und auf das Jahr gerechnet mehr als 2.000 Kronen (84,30 Euro) ausmacht. Zeitungen sind oft die einzige Informationsquelle, vor allem für die ältere Generation, und leider ist diese Zielgruppe einfach nicht in der Lage, eine jährliche Erhöhung von ein- bis zweitausend Kronen zu verkraften", betonte Nantl.

Geringerer Zeitungsverkauf könnte Fake-News fördern und zum Vorteil von extremistischen Parteien werden

Laut Martina Říhová, Geschäftsführerin des Czech News Center, sind gedruckte Zeitungen trotz des Rückgangs der verkauften Auflage eine wichtige Informationsquelle für Hunderttausende von Lesern. "Ich sage voraus, dass die steigenden Kosten für den Zeitungsvertrieb alle tschechischen Verleger zwingen werde, ihre Preise bereits in diesem Jahr zu erhöhen. Dies wird den Spielraum für die Verbreitung von Fehlinformationen vergrößern, was zu einem Anstieg der Wählerschaft für extremistische Parteien führen wird. Damit hat siech die Regierungskoalition ein Eigentor geschossen", sagte sie.

Für einige Regierungsvertreter sind gedruckte Tageszeitungen für die Gesellschaft überflüssig 

"Realistischerweise erwägen wir jetzt, die Herausgabe von Tageszeitungen einzustellen; angesichts des Marktrückgangs von 20 Prozent und mehr pro Jahr können wir diese Mediengattung nicht weiter subventionieren. Bislang waren wir uns unserer sozialen Verantwortung als Medium in der Gesellschaft voll bewusst. In der derzeitigen Situation ist es für uns jedoch wirtschaftlich kaum möglich, dieser Rolle weiterhin in vollem Umfang gerecht zu werden. Wir haben landesweit mehr als 300 Redaktionsmitglieder, die aktuell berichten, und das kostet uns jährlich mehr als 200 Millionen Kronen (8,4 Mio. Euro). Die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die darauf folgenden Äußerungen von Regierungsvertretern über die Überflüssigkeit dieser Medien in der Gesellschaft führen jedoch unweigerlich dazu, dass wir über die Sinnhaftigkeit unserer Arbeit nachdenken", meinte Nantl.

Posten des Medienbeauftragten der Regierung wurde bereits abgeschafft

Laut Adam Černý, dem Vorsitzenden des tschechischen Journalistenverbands (SNČR), werde die Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung umso schlimmer sein, als sie auf die Abschaffung des Postens des Medienbeauftragten der Regierung folgt, zu dessen Aufgaben unter anderem die Ausarbeitung eines Plans zur Bekämpfung von Desinformation, sowie eines Medienförderungsplans gehörte. Dies wäre deshalb wichtig, da die Medien seit einigen Jahren in der Tschechischen Republik unter großem wirtschaftlichen Druck stehen, weil sich die Werbeeinnahmen in erheblichem Maße ins Internet verlagert haben, wo der größte Teil der Einnahmen an große Technologieplattformen geht, die von der Verlinkung von einzelnen Medien profitieren, ohne dass diese für die Verwertung von Inhalten entlohnt werden.

Nach Angaben des Nationalen Informations- und Beratungszentrums des Kulturministeriums wurden 2021 im Land 5.037 gedruckte Zeitschriften herausgegeben, 430 weniger als im Vorkrisenjahr 2019. 107 davon waren Tageszeitungen (incl. Lokalmutationen).

Höchster Steuersatz für Tageszeitungen in der EU

Eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für Tageszeitungen von 10 auf 21 Prozent würde bedeuten, dass die Tschechische Republik die höchste Besteuerung von Zeitungen in der Europäischen Union hätte. Nach Angaben der Europäischen Kommission hat Lettland derzeit mit 12 Prozent den höchsten Mehrwertsteuersatz für Zeitungen in der EU. Im Gegensatz dazu wird in Belgien und Dänemark keine Mehrwertsteuer auf gedruckte Zeitungen erhoben. In der Slowakei und in Österreich liegt die Mehrwertsteuer auf Zeitungen bei 10 Prozent, in Deutschland bei sieben und in Polen werden Zeitungen mit acht Prozent besteuert.

Quelle: ČTK


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