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09 Oct
GLOSSE: Premier Fiala, der Ritter der traurigen Politik

´Glosse von Wolfgang Martin


Manchmal ist es wie nach einer Scheidung, dass man erst erfahren muss, dass der oder die Ex doch noch die besserer Option war. So dürften die tschechischen Wähler gedacht haben, als sie ihren Ex-Premier Babiš einen fulminanten Sieg beschert haben.

Der noch amtierende Premier Fiala scheiterte vor allem an seiner Bürgerferne und seiner, auch aufgrund politischer Inkompetenz basierenden dargestellten Arroganz. Dazu kamen absurde Auftritte, bei denen er seinen Kontrahenten Babiš zwar zum Intimfeind ernannte, ihn aber gleichzeitig bewunderte und zu kopieren versuchte, was ziemlich peinlich verlief und seine Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung nicht unbedingte stärkte. Eine absurde Vorgangsweise die - Fiala kann weder verbal, noch vom Charisma her mit Babiš mithalten - an den tschechischen Bierstammtischen für heitere Stimmung sorgte, aber keinesfalls für Zustimmung. 

Fiala fehlte das politische Gespür, und er hat sich vielleicht deswegen aus Selbstschutz zum Oberlehrer gekrönt. Der Premier tat sich schwer, andere Meinungen zu akzeptieren. Dadurch ist der Funke zur Bevölkerung nie übergesprungen, obwohl er als Politikwissenschaftler, mit viel Vorschusslorbeeren ausgestattet, ins Amt berufen worden war.

Abgesehen von den Sympathiepunkten, die Fiala aufgrund seiner Person bei den Menschen einbüßte, war vor allem die wirtschaftliche Inkompetenz und Beratungsresidenz seines Regierungsteams einer der Knackpunkte des Scheiterns. Expertenmeinungen, die sich meistens im Nachhinein als richtig herausstellten, wurden in den Wind geschlagen, und es herrschte das Motto "Zuerst handeln, dann denken", was beispielsweise die tschechische Bauwirtschaft im Rahmen der Digitalumstellung in ein wirtschaftliches Desaster führte, an dem Tschechien noch Jahre knabbern wird. Dass Fiala dann noch die ganze Verantwortung auf seinen Koalitionspartner, die Piraten, schob, ohne ihnen die Zeit zu geben, die Fehler wie vereinbart zu korrigieren, sondern er den zuständigen Minister entließ, wurde von der tschechischen Bevölkerung als Akt der Feigheit gesehen.

Bei der Regierungsmannschaft hatte man in der ganzen Legislaturperiode das Gefühl, als wenn sie ihr eigenes Volk nicht kennen würden. Ein Beispiel dafür war die völlig unnötige Wiederbelebung der Euro-Debatte, obwohl die Regierung wusste, dass die Bevölkerung dagegen ist und es keine Möglichkeit gibt, den Eurobeitritt durch das Parlament zu bringen, wurde das Thema wieder aufgegriffen, was viele Tschechen als Provokation empfanden. Ähnlich verhielt es sich mit der absoluten Loyalität zur EU. Die Regierung Fiala war zwar ein guter Bittsteller und konnte dadurch einiges an zusätzlichen EU-Mitteln lukrieren, aber wenn sie ihr Volk kennen würden, dann hätten sie wissen müssen, dass Tschechen nicht von Almosen abhängig sein wollen und somit die Handlungsweise nicht als Erfolg werten. 

Auch bei der Unterstützung der Ukraine verhielten sich die Volksvertreter wie politische Anfänger oder eben Oberlehrer. Offenbar wurde die Stimmung in der Bevölkerung nicht ausgelotet und es wurden die Menschen vor gegebene Tatsachen gestellt, anstatt sie mit einzubeziehen und zu überzeugen, was indem Fall gar nicht so schwer gewesen wäre. So handelte man sich auch bei diesem Thema man sich wiederum nur zusätzliche Antipathie ein. Eingriffe bei den Pensionen und beim Bierpreis noch vor der Wahl - beides ist in Tschechien heilig - waren zusätzliche Brandbeschleuniger für den politischen Totalschaden.

Auch auf der internationalen Bühne war Fiala eigentlich nur eine graue Maus und hat wenig erreicht. Gern gesehener Gast war er nur, wenn er Großaufträge im Gepäck hatte, wie beispielsweise die Auschreibung für den Bau der AKW-Reaktoren für Dukovany und Temelín.

Man könnte ein Buch füllen mit den politischen Hoppalas der Regierung Fiala, die eindrucksvoll bewiesen hat, wie weit Theorie und Praxis auseinander liegen, und der jegliches diplomatisches Geschick fehlte. Aussagen wie: "Da die Strompreise jedoch stetig sinken, werden die Menschen im Durchschnitt meist das Gleiche wie in diesem Jahr oder höchstens ein paar Prozent mehr bezahlen", sind politischer Selbstmord..

Im Grunde war die Regierung schon seit zwei Jahren politisch tot und hat Misstrauensanträge nur haarscharf überlebt. Viele Tschechen hätten sich gewünscht, dass sie vorzeitig abdankt. In diesen zusätzlichen zwei Jahren ist der Zuspruch zu Babiš sukzessive gestiegen, was durch den Wahlausgang bestätigt wurde.

Titelbild: GettyImage


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