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18 Oct
ANO drängt die Motoristen, von Außenamts-Kandidat Turek abzurücken

Kaum eine Personalie der künftigen tschechischen Regierung sorgte in den letzten Tagen für soviel Diskussionsstoff wie die Nominierung von Motoristen-Ehrenpräsident Filip Turek für das Amt des Außenministers. Nachdem ein ehemaliger Vertrauter Tureks Screenshots von rassistischen, homo- und xenophoben Postings aus den sozialen Medien, die der Ministeranwärter mutmaßlich abgesendet hat, und die später gelöscht worden sind, der Tageszeitung Deník N zukommen lassen hat, ermittelt die Prager Polizei in dieser Causa, wie Polizeisprecher Jan Daněk gegenüber Česká televize bestätigte. ANO-Koalitionsverhandler Karel Havlíček brachten nun den parteifreien Diplomaten Karel Beran, der auf der Liste der Motoristen ins Parlament gewählt worden ist, als "Ersatzkandidaten" ins Spiel.

Motoristen-Ehrenpräsident Filip Turek

Bild: Facebook/Filip Turek

Die Motoristen könnten den neu gewählten Abgeordneten Karel Beran anstelle von Filip Turek als Außenminister nominieren, sagte Havlíček in einem Interview mit dem politischen Magazin Týden ("Woche"). "Der Name Beran wurde (in den Regierungsverhandlungen, Anm.) natürlich oft genannt, weil er Abgeordneter der Motoristen ist. Er ist ein kompetenter Mann", so Havlíček.

Karrierediplomat Karel Beran

Insgesamt 30 Jahre lang war Beran als Diplomat im Außenministerium der Tschechischen Republik tätig und wurde nach und nach Leiter der tschechischen Vertretungen in verschiedenen Ländern, darunter Italien, Spanien und mehreren Ländern Lateinamerikas. 

Er war auch tschechischer Vertreter bei den Vereinten Nationen. Für seine diplomatische Karriere erhielt er staatliche Auszeichnungen in Italien und Spanien, wurde Ehrenvorsitzender der Tschechisch-Spanischen Handelskammer und war auch Ehrenvorsitzender des Argentinisch-Tschechischen Wirtschaftsrats.

Laut der Politik-Journalistin Markéta Boubínová wäre die Person Karel Beran für den Vorsitzenden der Wahlsieger-Partei ANO, Andrej Babiš, ideal. "Er ist Diplomat. Er war beispielsweise Botschafter in Argentinien. Ich denke, dass er für ihn ein unproblematischer Kandidat wäre", erklärte sie.

Laut Boubínová spricht Babiš nämlich seit langem davon, dass die Außenpolitik "vor allem in der Straka-Akademie (Amtssitz des Premiers, Anm.) entsteht", d. h. der Außenminister erfüllt seiner Meinung nach nur die Visionen des Premierministers. Genau für diese Position wäre Beran laut der Redakteurin die ideale Person.

Auch der politische Kommentator des Magazins Respekt, František Trojan, sieht die Sache ähnlich und sieht in Beran den "wahrscheinlicheren" Kandidaten. "Ich denke, dass er weniger kontrovers ist als Filip Turek. Aus vielen Gründen wird er ein akzeptablerer Kandidat sein", kommentierte Trojan. Seiner Meinung nach hat Beran in diplomatischen Kreisen einen guten Ruf, obwohl die Öffentlichkeit nicht viel über ihn weiß.

Update: Ehemaliger Vertrauter belastet Turek

Der Motorsportjournalist Vojtěch Dobeš, ein ehemaliger Freund des als Außenminister nominierten Filip Turek, hat Screenshots von Facebook-Beiträgen des Ehrenpräsidenten der Motoristen gemacht. Ursprünglich wollte er anonym bleiben, doch schließlich erzählte er in einem Interview für Deník N, wie es dazu kam und warum er sich entschlossen hat, an die Öffentlichkeit zu gehen. Er sei bereit, die Echtheit von Tureks Beiträgen auch gegenüber der Polizei zu bestätigen, sagte er.

Demnach veröffentlichte Turek wiederholt offen rassistische, sexistische oder homophobe Äußerungen auf Facebook sowie zahlreiche Anspielungen auf den Nazi-Führer Adolf Hitler und den faschistischen Diktator Benito Mussolini. Dobeš gab an, über ein Archiv von Tureks später gelöschten Beiträgen und Kommentaren zu verfügen. Turek entschuldigte sich für die kritisierten Äußerungen, lehnt jedoch die Urheberschaft einiger Beiträge ab, und die Motoristen-Partei hat gleichzeitig Strafanzeige gegen Deník N gestellt.

Dobeš kennt Turek seit 2006, sie lernten sich dank ihrer gemeinsamen Vorliebe für Autos der Marke Jaguar kennen. "Wir sahen uns ein paar Mal im Jahr, vor allem in der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre. Wir unterhielten uns aber meistens über Autos und vermieden eher politische Themen", sagte der Journalist im Interview.

Bis vor kurzem waren sie Freunde. Aufgrund schlechter Erfahrungen beim Autokauf und dem Beginn von Tureks politischen Ambitionen zerbrach ihre Freundschaft. "Irgendwann zwischen 2022 und 2023 begann ich zu spüren, dass Filip sich ernsthaft als 'Führer'zu sehen begann und dass das, was er früher übertrieben gesagt hatte, zu realen politischen Ambitionen heranwuchs", sagte Dobeš.

Zum offenen Streit kam es zwischen den beiden Männern erst im April dieses Jahres. Dobeš kommentierte in einem sozialen Netzwerk Tureks Treffen mit Vertretern des iranischen Regimes im vergangenen Jahr. Turek bezeichnete Dobeš daraufhin in seinem Beitrag als "Verschwörer" und "ehemaligen Freund" und fragte, ob ihm jemand aus der Leserschaft "eine reinhauen" könne, bevor er selbst Zeit dafür finde.


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