
Die Bedingung von Präsident Petr Pavel, dass ANO-Chef Andrej Babiš vor seiner Ernennung zum Premier mitteilen muss, wie er seinen Interessenkonflikt lösen wird, ergibt sich laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bewegung, Karel Havlíček, nicht aus dem Gesetz. ANO werde die Bedingung dennoch akzeptieren. "Aus meiner Sicht handelt es sich um einen seriösen Ansatz, um einen entgegenkommenden Schritt, und wir wollen dem Präsidenten nicht das Kriegsbeil ausgraben", betonte Havlíček im Nachrichtensender ČT24 des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

ANO-Vizechef und künftiger Industrieminister Karel Havlíček
Bild: Facebook/Karel Havlíček
"Wenn man einigen Verfassungsrechtlern zuhört, sagen sie ganz klar, dass dies erst zum Zeitpunkt der Ernennung zu klären ist, und dass nirgendwo festgelegt ist, dass der Präsident vor der Ernennung diese Bedingungen stellen sollte. Und obwohl dies nirgendwo festgelegt ist, hat Herr Babiš sich auf dieses Spiel eingelassen und ist bereit, dies mitzuteilen. Ich denke, dass es keine entgegenkommendere Vorgehensweise geben kann", sagte Havlíček.
Präsident Pavel begründet seine Forderung mit einem verbindlichen Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2020, das dem Staatsoberhaupt auferlegt, bei der Erwägung, wen es zum Vorsitzenden oder einem anderen Mitglied der Regierung ernennen soll, mögliche Interessenkonflikte und deren Lösungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Laut Havlíček hat Babiš nie in Frage gestellt, dass er darlegen werde, wie er den Interessenkonflikt lösen werde. Das Einzige, worüber sich der mögliche künftige Premier und das Staatsoberhaupt nicht einigen konnten, war der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Lösung.
Babiš möchte zuerst Pavel die Lösung des Interessenkonflikts mitteilen, und erst nach seiner Ernennung zum Premier die Lösung der Öffentlichkeit vorstellen. Der Präsident besteht jedoch darauf, dass Babiš die Lösung der Öffentlichkeit vor seiner Ernennung vorstellt. Die Kommunikationsabteilung des Präsidialamtes teilte am Abend des 18. Novembers mit, dass der Staatschef davon ausgeht, dass er in der Woche nach dem 24. November eine Liste der vorgeschlagenen Regierungsmitglieder erhalten weide. Pavel wird dann in den folgenden zwei Wochen Konsultationen mit ihnen führen. Anschließend erwartet er, dass Babiš öffentlich klarstellt, wie er seinen Interessenkonflikt lösen will, wobei laut der Präsidentschaftskanzlei deutlich werden soll, dass dies im Einklang mit den Gesetzen steht. Danach sei Pavel bereit, Babiš innerhalb einer Woche zum Premier zu ernennen.
Der Grund, warum der Vorsitzende der ANO dies bisher noch nicht getan hat, liegt laut Havlíček nicht darin, dass "jemand etwas verbergen" wollte. "Wir müssen uns bewusst machen, dass Agrofert ein gigantisches Unternehmen ist, das Zehntausende von Menschen beschäftigt. Es ist nicht nur in Tschechien ein großer Investor", betonte er. Dem zufolge gehe es um "bestimmte familiäre Beziehungen, Beziehungen zu Lieferanten, Abnehmern, Banken und so weiter. Und dort steht wirklich viel auf dem Spiel", sagte Havlíček.
Noch bevor die Prager Burg sich dazu äußerte, erklärte Babiš am Dienstag, dass es keinen Sinn mache, "irreversible Schritte" in Bezug auf seinen Interessenkonflikt zu unternehmen, solange er nicht sicher sei, dass Präsident Petr Pavel ihn zum Premier ernennen werde. Die Präsidentschaftskanzlei hatte jedoch bereits in einer Pressemitteilung aus der vergangenen Woche erklärt, dass "wenn Andrej Babiš Schritte unternimmt, die deutlich zeigen, dass er den Konflikt lösen will und dass er eine Lösung im Einklang mit den Gesetzen hat, der Präsident bereit ist, ihn unverzüglich zum Ministerpräsidenten zu ernennen".
Babiš und der Agrufert-Konzern: Über ein Jahrzehnt schwelender Interessenkonflikt
Die Frage des Interessenkonflikts des Unternehmers, Eigentümers der Holding Agrofert und Vorsitzenden der ANO, Andrej Babiš, wurde bereits 2014 thematisiert, er nach den Wahlen Finanzminister in der Regierung von Bohuslav Sobotka (damals ČSSD) wurde, der neben den Sozialdemokraten und der ANO auch die Christdemokraten (KDU-ČSL) angehörte.
Auf den drohenden Interessenkonflikt wies damals EU-Abgeordnete Ingeborg Gräßle, Mitglied des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments, hin. Sie forderte Babiš auf, als Finanzminister seine Unternehmen aufzugeben. Auch Premier Sobotka forderte ihn auf, seine Geschäftstätigkeit einzustellen. Babiš lehnte dies ab. Die Tatsache, dass ein Vizepremier und Finanzminister, der für die Erteilung von Subventionen verantwortlich zeichnet, gleichzeitig Eigentümer von Agrofert, einem der größten Unternehmen des Landes, ist und auch eine Reihe von Medien kontrollierte, wurde auch von der Opposition kritisiert.
Spannungen in der damaligen Regierungskoalition löste eine Novelle des Gesetzes über Interessenkonflikte ("Lex Babiš") aus, die die unternehmerischen Aktivitäten von Regierungsmitgliedern und anderen Amtsträgern einschränkt. Sie wurde von der ANO-Bewegung scharf kritisiert. Die Abgeordneten setzten sich schließlich gegen das Veto von Präsident Miloš Zeman (damals SPO) durch, und das Gesetz trat Anfang 2017 in Kraft.
Gemäß der Gesetzesnovelle können Regierungsmitglieder Unternehmen kontrollieren, diese dürfen jedoch keinen Zugang zu öffentlichen Aufträgen und nicht anspruchsberechtigten Subventionen haben. Das Gesetz verbietet Regierungsmitgliedern und anderen Amtsträgern, Radio- und Fernsehsendungen zu betreiben und periodische Druckerzeugnisse herauszugeben. Infolgedessen übertrug Babiš im Februar 2017 seine Unternehmen an Treuhandfonds.
Die Übertragungder Holding Agrofert und der Firma SynBiol auf zwei Treuhandfonds wurde von vielen Experten und Politikern als unzureichender Schritt zur Erfüllung der Anforderungen des Gesetzes über Interessenkonflikte angesehen. Babiš war zwar formal nicht mehr Eigentümer dieser Unternehmen, blieb aber deren Gründer und Begünstigter (er behielt seinen Anspruch auf Gewinne und kontrollierte die Fondsverwalter).
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