
Seitdem kurz nach den Parlamentswahlen der Ehrenpräsident der Motoristen, Filip Turek, für das Amt des Außenministers vorgeschlagen worden ist, bestimmt in Tschechien "der Türke" (tschech. "Turek") das politische und mediale Tagesgeschehen. Der frühere Amateur-Autorennfahrer und Geschäftsmann wird von Staatspräsident Petr Pavel nicht nur wegen seiner umstrittenen, sehr weit rechts angesiedelten Äußerungen und Social-Media-Aktivitäten, sondern auch aus Mangel an Qualifikation für ein Regierungsamt als Minister abgelehnt. Auch für ANO aktive Politiker wie der künftige Bildungsminister Robert Plaga gehen bereits auf Distanz zu Turek. Die Motoristen-Partei pocht jedoch vehement auf die Präsenz ihres Ehrenpräsidenten in der künftigen Regierung. Ein spannender politischer Showdown scheint für die nächsten Tage garantiert.

Filip "der Türke" Turek, umringt von Kameras
Bild: Facebook/Filip Turek
Die Liste der Kritikpunkte gegen den erst Außenminister-, und derzeit Umweltminister-Aspiranten ist lang. Das Sammeln von Nazi-Devotionalien - vom Wehrmachtshelm bis zu SS-Messern -, ein Foto mit einer Geste, die man durchaus als Hitlergruß deuten könne, Zahlenspielereien mit dem Code "88" oder seine kolportierte Bezeichnung des NS-Führers als "Väterchen (tatíček)" stellen nur einen Teil der Vorwürfe an Turek dar.
In von Turek gelöschten, aber von der Zeitung Deník N (Tschechien) bzw. Denník N (Slowakei) zuvor archivierten Postings bezeichnete er Ex-US-Präsident Barack Obama und die Herzogin Meghan von Sussex als "Nigger", kommentierte die Verbrennung eines Roma-Kindes als "mildernde Umstände", einen Anschlag auf eine neuseeländische Moschee als "Saubermachen" und schrieb in einer Diskussion über Klimaaktivisten "In den Ofen mit diesen Studenten!". Auch dem Milliardär Petr Kellner (†2021) drohte er demnach mit dem "Vergasen". Im Juni dieses Jahres veröffentlichte die Webseite pagenotfound.cz, dass Tureks Ex-Partnerin Anzeige gegen ihn wegen häuslicher Gewalt, Bedrohung mit einer Schusswaffe und Vergewaltigung erstattet hat. Turek bestreitet die Vorwürfe.
Turek will im persönlichen Gespräch mit Präsident Pavel zu den Vorwürfen Stellung nehmen
Filip Turek will Präsident Petr Pavel im persönlichen Gespräch seine Affären erklären, die seiner Meinung nach "eher medienbedingt" sind. "Es werden sicherlich konkrete Argumente sein, die möglicherweise auch durch Dokumente untermauert werden", kündigte Turek an. Nach Informationen des Fernsehensenders Česká televize bestreitet Turek weiterhin, dass alle ihm zugeschriebenen kontroversen Beiträge in sozialen Netzwerken authentisch sind.
Pavel kann sich "Kompetenzklage" gegen Turek vor dem Verfassungsgericht vorstellen
Präsident Petr Pavel hält es für unwahrscheinlich, dass der Kandidat der Motoristen, Filip Turek, Umweltminister wird. Letztendlich wäre es seiner Meinung nach vielleicht gut, wenn es in dieser Angelegenheit zu einer Kompetenzklage käme, über die dann das Verfassungsgericht entscheiden würde. "Wir könnten sagen, dass jeder, der nicht wegen einer Straftat verfolgt wird oder keinen Verrat begangen hat, Minister werden kann“, erklärte der Präsident. Die Bürger eines "demokratischen und anständigen Landes" sollten seiner Meinung nach jedoch anspruchsvollere Kriterien haben. "Diese werden durch Moral, Ethik und unsere Wahrnehmung definiert. Es wäre gut, wenn wir diese Dinge für die Zukunft klären würden. Letztendlich könnte es vielleicht sinnvoll sein, wenn es zu einer Kompetenzklage kommt, über die dann das Verfassungsgericht entscheidet", präzisierte er.
Auch in den Reihen der künftigen Regierung formiert sich Widerstand gegen Turek. Der angehende Bildungsminister Robert Plaga, der parteifrei von der ANO nominiert worden ist, sagte jüngst, es gebe eine gewisse Grenze für das, was bei einem Kandidaten akzeptabel ist, und wenn neue schwerwiegende Fakten bekannt werden, die diese Grenze überschreiten, sollten die Motoristen ihre Nominierungen ändern.
Motoristen-Chef: "'Kompetenzklage' kommt in meinem Wortschatz nicht vor"
Der Parteichef der Motoristen, Petr Macinka, der mit Turek die noch nicht vergebenen Ministerämter getauscht hat und jetzt Außenminister-Aspirant ist, erklärte, dass er keine Kompetenzklage in Betracht ziehe. Er sagte, dass der Begriff "Kompetenzklage" nicht in seinem Wortschatz vorkomme. "In meinem Wortschatz kommt hingegen das Wort Dialog vor. Und ich denke, dass dies auch so bleiben sollte", meint er. Er hält es nicht für notwendig, das Instrument der Kompetenzklage einzusetzen. "Wir befinden uns nicht in einer Situation einer eskalierten Kohabitation, die Lage ist nicht so angespannt", meinte Macinka.
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