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16 Mar
Präsident Pavel besiegelt umstrittenes Rentengesetz

Mit seiner Unterschrift vom 16. März über jene Gesetzesänderung, die die automatische jährliche Anpassung der Pensionen außer Kraft setzt, hat der neue Staatspräsident Petr Pavel unter einem Großteil der älteren Bevölkerung an Beliebtheit verloren. Viele Rentner haben gehofft, dass er die Novelle, die für eine Durschschnittspension eine Erhöhung von nur noch 760 CZK (31,70 Euro) anstatt der eigentlichen 1770 CZK (73,80 Euro) monatlich ab Juni 2023 bringt, nicht absegnet. 

Bild: Twitter/Petr Pavel

Gleichzeitig mit seiner Unterschrift hat aber Pavel auch angekündigt, diese Novelle auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen zu lassen. Während die Regierungsfraktionen auf die Notwendigkeit von Einsparungen pochen, will die Opposition das Gesetz vor dem Verfassungsgericht anfechten. Die Oppositionspartei ANO von Pavels Gegenkandidaten Andrej Babiš bereitet eine eigene Verfassungsklage gegen den Stopp der Rentenindexierung an.

Nachdem die ersten Tage Petr Pavels im Amt als tschechischer Staatspräsident von freundlichen Antrittsbesuchen bei den Amtskollegen in Pressburg und Warschau, Zuzana Čaputová (Slowakei) und Andrzej Duda (Polen), geprägt waren, fällte er am Ende seiner ersten Woche auf der Prager Burg seine erste umstrittene Entscheidung. 

Pavel kündigte bereits am Vortag an, dass er beschlossen habe, die Novelle zu unterzeichnen, aber er sagte, es sei notwendig, dass das Verfassungsgericht sie überprüfe. Sollte die Opposition letztlich keinen Einspruch beim Gericht einlegen, werde er dies selbst tun. Der Präsident hat Verständnis für die rechtlichen Einwände der Opposition, die überzeugt ist, dass die Regierung die Novelle verfassungswidrig durchgesetzt hat, weil sie rückwirkend ist, und weil sie in einem legislativen Notstand im Unterhaus verabschiedet wurde.

Pavel stimmte jedoch auch der Regierung zu. "Ihre Argumente und die der Wirtschaftsexperten sprechen klar dafür, dass eine Verlangsamung des Rentenanstiegs in der gegenwärtigen Situation notwendig ist", sagte er. Die außerordentliche Valorisierung würde vor allem für die Senioren mit den höchsten Einkommen einen Rentenanstieg bedeuten, sagte er.

Die Opposition kritisierte neben dem Inhalt der Novelle auch deren formales Zustandekommen im Parlament. Die Beschlüsse wurden vom Unterhaus im Eilverfahren herbeigeführt. Das Kabinett von Premier Petr Fiala (ODS) wies darauf hin, dass der Entwurf bis zum 22. März veröffentlicht werden müsse, dem letzten Tag, an dem die Regierung ein Dekret über die Rentenerhöhung per kommenden Juni nach den geltenden Vorschriften erlassen kann. Sollte Pavel sein Veto einlegen, wäre das Unterhaus wahrscheinlich nicht mehr in der Lage, dieses Nein rechtzeitig zu überstimmen.

Jan Květina, Politikwissenschaftler am Institut für Geschichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften (AV ČR), merkte in einem Interview mit der Česká Televize (ČT) an, dass Pavels Position einigen wie "die Entscheidung eines klugen Mannes aus den Bergen" erscheinen mag. Květina selbst sieht das nicht so. "Wir haben es hier mit einem sehr kontroversen Thema zu tun, vor allem in Bezug auf das gewählte Verfahren, aber natürlich auch in Bezug auf die Folgen, die es haben kann. Und in dem Moment, in dem er (Pavel) von seinem Veto Gebrauch machen würde, würde er dem Ganzen einen klaren Riegel vorschieben, was zu einer sehr starken Interpretation durch die Opposition führen würde", kommentierte er. Ihm zufolge hat Präsident Pavel deutlich gemacht, dass er nicht die letzte Instanz sein will, die über die Verfassungsmäßigkeit der Angelegenheit entscheidet.

Mit Inkrafttreten der Novelle wird der Staat in diesem Jahr 15 Mrd. CZK (626 Mio. Euro) mehr für Renten ausgeben, da die Indexierung per Juni erfolgt. Blieben die normalen Regeln in Kraft, würden die Ausgaben des Staatshaushalts um 34,4 Mrd. CZK (1,44 Mrd. Euro) steigen. Die geringeren Kosten für den Haushalt werden sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Im nächsten Jahr werden laut der Regierung 33 Mrd. CZK (1,38 Mrd. Euro) gegenüber den ursprünglich geplanten 58,8 Mrd. CZK (2,45 Mrd. Euro) für zusätzliche Renten eingespart.

"Aus wirtschaftlicher Sicht war dies zweifellos ein notwendiger Schritt", kommentierte Daniel Münich, Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrates der Regierung (NERV), die Entscheidung der Regierung. Er erinnerte daran, dass es sich um einen "ausserordentlichen Schritt" handelt. Das bisherige System der automatischen Erhöhungen sei problematisch. Münich wies darauf hin, dass sich durch die derzeitige Regelung die Schere zwischen Menschen mit hohen und niedrigen Renten öffne. "Das zweite Problem ist, dass das System so angelegt ist, dass man, wenn man vor Jahresende in Rente geht, in Zukunft eine diametral höhere Rente hat, als wenn man z.B. am 1. September nach den Indexierungen in Rente geht", sagte er. Er ergänzte, die Inflationskrise habe gezeigt, dass das System geändert werden müsse.

Opposition will die Novelle massiv bekämpfen

Die Opposition hat bereits angekündigt, dass sie vor dem Verfassungsgericht klagen wird. Die ANO-Bewegung stellt dazu ein Expertenteam zusammen und plant, das Gericht um eine vorrangige Anhörung zu bitten. "Wir wollen, dass die Verfassungsbeschwerde so schnell wie möglich bearbeitet wird, aber das darf nicht auf Kosten der Qualität gehen. Für mich ist der Termin Anfang Mai, wir arbeiten noch daran", sagte Alena Schillerová, Vorsitzende des parlamentarischen Klubs der ANO. Die Partei von Babiš will noch vor der April-Sitzung des Unterhauses im Klub über das weitere Vorgehen beraten. Schillerová räumte jedoch ein, dass sie dem Klub empfehlen werde, dass die ANO-Bewegung die Vorlage selbst einreicht.

Die kleinere Oppositionspartei, die rechtspopulistische SPD, will bei der Einreichung beim Verfassungsgerichtshof mitarbeiten. "Sie ist schlecht konstruiert, sowohl die Art und Weise, wie sie diskutiert wurde, als auch der gesamte Entwurf. Die Senkung der Indexierung, wie sie die Regierung vorgelegt hat, ist einfach inakzeptabel", sagte der SPD-Abgeordnete Jan Hrnčíř, stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Unterhauses.


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