Während die internationalen Medien eher gespalten über das Comeback von Ex-Premier und Chef der nun stärksten Partei ANO, Andrej Babiš, berichten und ihn großteils dem rechten Lager zurechnen, sind die Meinungen innerhalb des Landes weit weniger kritisch. Eines ist aber klar, dass Babiš auf allen Verhandlungsebenen - auch wenn seine Partei so heißt ("ano" bedeutet auf Tschechisch "ja") - kein Ja-Sager sein wird. Sieht man sich das Wahlprogramm von ANO an, kann man bereits daraus schließen, dass es zu einigen Veränderungen kommen wird und sowohl innen- als auch außenpolitisch ein rauerer Wind wehen wird, als es bei seinem Vorgänger der Fall war. Das ANO-Wahlprogramm wurde übrigens erst im September, also kurz vor der Wahl präsentiert damit die konkurrierenden Parteien "den Inhalt nicht kopieren und zur Mobilisierung ihrer Wähler nutzen konnten". Das tschechische Wirtschaftsmagazin E15 hat die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Bild: ANO
Wirtschaft:
Beibehaltung der tschechischen Krone und Beschäftigungspolitik
Die ANO-Bewegung setzt sich "für nachhaltige Finanzen ein, die auf dem Wohlstand der Bürger und einer effizienten Erhebung der bestehenden Steuern basieren". Die Partei verspricht Einsparungen beim Staatsbetrieb, bei öffentlichen Aufträgen und eine Reduzierung der Verwaltungsaufgaben durch konsequente und funktionierende Digitalisierung. Die Bewegung beabsichtigt auch, einige Ministerien zu einem "einheitlichen Wirtschaftsressort" zusammenzufassen. Man will an den von der Regierung 2021 vorgestellten Plan zur schrittweisen Haushaltskonsolidierung anknüpfen, der eine Verringerung des strukturellen Defizits um 0,5% pro Jahr vorsieht. Die Partei nennt ihren Wachstumsplan "Tschechien – Land für die Zukunft. Die Gehälter von Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleuten und Zollbeamten sollen steigen.
In der Geldpolitik setzt sich ANO für "vollständige nationale Autonomie" und die Beibehaltung der tschechischen Krone ein. Die Einführung des Euro würde nach Ansicht der Bewegung das Ende der eigenen Geldpolitik bedeuten, was vor allem in Zeiten der Rezession zu Komplikationen führen würde. ANO ist der Ansicht, dass "wir mit der gemeinsamen europäischen Währung die Probleme Südeuropas unverantwortlich in die Tschechische Republik importieren würden". Stabiles BIP-Wachstum und dynamisch steigende Einnahmen der öffentlichen Haushalte will die ANO durch die Umsetzung einer "antizyklischen Wirtschaftspolitik", wachstumsfördernde Investitionen unter voller Ausschöpfung des Nationalen Wiederaufbauplans, niedrigen Steuern und die "Anhebung des Lebensstandards" erreichen.
Fachkräfte willkommen, Teilzeit soll ausgebaut werden
Neben der Modernisierung des Arbeitsgesetzbuches will Babiš' Partei die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte beschleunigen. Bis 2030 sollen durch die Verkürzung der Fristen für Arbeitsgenehmigungen auf zwei Monate oder die Einführung sogenannter "Smart-Visa" und dem Abbau von Verwaltungsaufwand 100.000 qualifizierte Ausländer aufgenommen werden.
Ein weiteres Ziel der Bewegung ist es, "die Erwerbsquote der tschechischen Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren von derzeit 77 Prozent auf 85 Prozent zu erhöhen". Auch der Anteil der Teilzeitbeschäftigten soll auf 15 Prozent steigen. Ein weiterer Schritt wäre ein deutlicher Rückgang der Zahl der Menschen, gegen die Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden. Auch für diese Maßnahmen nennt die Wirtschaftsstrategie das Ende des Jahrzehnts als Zieltermin.
Änderungen im Steuersystem
Die ANO plant eine Reihe von Änderungen im Steuersystem, wobei "die Verbesserung der Steuererhebung, insbesondere die Mehrwertsteuer betreffen soll. Eines der Schlüsselelemente ist die Wiedereinführung der elektronischen Umsatzsteuererfassung, die die Bewegung als wesentliches Instrument zur Gewährleistung einer effektiven Steuererhebung betrachtet und von der Regierung von Petr Fiala (ODS) eliminiert wurde. Laut ANO sollte die mögliche Rückkehr zur Erfassung keine Kosten für Unternehmer mit sich bringen. Die Bewegung will die Verwendung der ursprünglich angeschafften Registrierkassen, und neu, auch einer speziellen mobilen App ermöglichen. Teil des gesamten Systems sollen auch verschiedene Anreize sein, beispielsweise Steuervergünstigungen für Unternehmen, die dieses System nutzen.
Die Körperschaftssteuer könnte auf das ursprüngliche Niveau zurückkehren
Eine weitere in Betracht gezogene Maßnahme betrifft die Körperschaftssteuer. Ihr Satz wurde im Rahmen des Konsolidierungspakets der Regierung Fiala von 19 auf 21 % erhöht. ANO kündigt an, dass die Steuer wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückkehren könnte, um das Angebot für das unternehmerische Umfeld attraktiver zu machen. Auch andere Steueränderungen würden sich eher auf eine Senkung der Steuersätze beziehen. ANO verspricht, dass sie "im Falle einer Regierungsübernahme die Steuern nicht erhöhen" würde. Stattdessen möchte sie sich auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehung konzentrieren. Eine mögliche Erhöhung schließt die Bewegung bei einigen Verbrauchsteuern, beispielsweise auf Tabakwaren und hochprozentigen Alkohol, nicht aus.
Die ANO-Bewegung will laut ihren öffentlichen Dokumenten an die früheren Babiš-Regierungen aus den Jahren 2017–2021 anknüpfen und sich auf die Schaffung einer auf Mehrwert basierenden Wirtschaft konzentrieren. Der Neustart der Wirtschaft soll in erster Linie "in den Händen des privaten Sektors" liegen. Der Staat soll für Arbeitgeber, ihre Arbeitnehmer und Selbstständige ein Umfeld schaffen, in dem sie Gewinne erzielen, aus denen sie Steuern zahlen. Aus diesen Steuern wird der Staat dann investieren, was sich auch in den Renten und einer höheren Verbrauchernachfrage niederschlagen wird. Als Inspiration dient beispielsweise das Wirtschaftswachstum der USA in den 1980er-Jahren, bekannt als "Reaganomics".
Als konkrete Schritte werden in den Dokumenten der ANO-Bewegung unter anderem genannt:
• Aktualisierung des Unternehmerpakets für kleine Unternehmen und dessen Erweiterung um Maßnahmen für Handwerksbetriebe.
• Durchsetzung von sogenannten Start-up-Visa.
• Schaffung eines Startkapitalfonds zur Finanzierung von Start-up Unternehmen.
• Sicherstellung einer Änderung der motivierenden Mitarbeiteraktien (Unterstützung von ESOP - die Steuerpflicht entsteht erst zum Zeitpunkt des Verkaufs der Aktie).
• Fertigstellung der Vernetzung von CzechTrade, CzechInvest und CzechTourism.
• Stärkung indirekter Finanzinstrumente zur Unterstützung auf der Grundlage rückzahlbarer Finanzmittel oder Garantien.
• Beschränkung der direkten staatlichen Unterstützung auf Bereiche mit Mehrwert, auf Forschungsprojekte oder die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen.
• Weiterentwicklung der Digitalisierung und des Portals der öffentlichen Verwaltung (für Unternehmer, Unternehmen und Bürger).
Wohnbau:
Mehr Bauvorhaben und vergünstigte Hypotheken
ANO sieht die Hauptursache für die Wohnungskrise im unzureichenden Wohnungsbau. Die Lösung des Problems sollte daher in erster Linie in einer Erhöhung der Zahl der erschwinglichen Wohnungen bestehen. Das Ziel sei es, die Verfügbarkeit von Wohnraum für alle Bürger zu erhöhen. Zu den vorrangigen Gruppen sollten jedoch Senioren, junge Familien, Alleinerziehende und Angehörige öffentlicher Berufe gehören. Man werde sich auf die Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für Wohnungen konzentrieren, was laut Babiš zu einer Preissenkung von bis zu zehn Prozent führen soll. Die hohen Wohnungspreise würde ANO auch durch eine stärkere Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus oder den Bau von staatlichen Wohnungen mit der Möglichkeit des späteren Rückkaufs durch die Mieter angehen. Eine wichtige Rolle spielt laut der Bewegung auch die Förderung der Nachfrage, beispielsweise durch vergünstigte Hypotheken für junge Familien oder Mehrgenerationenhypotheken.
Renten:
Rückkehr zur Begrenzung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre
Nach einem möglichen Regierungsantritt der ANO-Bewegung dürfte es zu grundlegenden Änderungen im Rentensystem kommen. ANO verspricht eine Rückkehr zum ursprünglichen Zustand. Für den Renteneintritt würde somit wieder eine Obergrenze von 65 Jahren gelten. Als Hauptgrund führt die Bewegung an, dass sich im Gegensatz zur Lebenserwartung die gesunde Lebensdauer nicht verlängert.
Energie:
Günstigere Energie und die in Tschechien erzeugte Energie sollte den tschechischen Bürgern vorbehalten bleiben
Eine Senkung der Energiepreise würde die Bewegung unter anderem durch die Verstaatlichung von ČEZ (halbverstaatlicher Energiekonzern und Betreiber der AKW Dukovany und Temelín) erreichen. Sollte ANO in der nächsten Regierung vertreten sein, will die Partei den Plan zum Aufkauf der Minderheitsaktionäre von ČEZ innerhalb eines Jahres oder anderthalb Jahren umsetzen. Die Aktien sollen vom Energiekonzern selbst aufgekauft und aus dessen Gewinnen bezahlt werden. Das Unternehmen würde also nach dem Aufkauf der Aktien für eine gewisse Zeit die Ausschüttung von Dividenden einschränken.
Babiš, erklärte außerdem, dass die Tschechische Republik aus der Rohstoffbörse in Leipzig austreten sollte. Die in Tschechien erzeugte Elektrizität sollte seiner Meinung nach den tschechischen Bürgern vorbehalten bleiben. Nur die überschüssigen Mengen würden ins Ausland exportiert.
Außenpolitik:
Reform der EU, Stärkung der NATO und Verteidigung der tschechischen Interessen
Die ANO-Bewegung bekennt sich zur Europäischen Union. Sie betrachtet die Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der EU als entscheidend. Dennoch sollte die EU nach Ansicht der Bewegung grundlegend reformiert werden - die Hauptrolle sollten "wieder souveräne Nationalstaaten" spielen, nicht "ungewählte Beamte". Das Hauptziel der Tschechischen Republik in der EU sollte die Verteidigung der tschechischen Interessen und die Wahrung ihrer Souveränität sein.
Die Partei setzt sich für die Beibehaltung des Vetorechts auf europäischer Ebene ein. Von den wichtigsten europäischen Themen distanziert sich die Bewegung insbesondere vom Migrationspakt und vom Green Deal. Illegale Migration würde ANO außerhalb des EU-Gebiets durch Abkommen mit Drittländern lösen. Im Hinblick auf die Emissionsbegrenzung strebt die Bewegung eine Überarbeitung des Abkommens an, um eine Schädigung der tschechischen Wirtschaft zu vermeiden.
Trotz der Kritik an den europäischen Institutionen hält ANO ein Referendum über den Austritt der Tschechischen Republik aus der EU für nicht angebracht. ANO unterstützt "die Fortsetzung der Zusammenarbeit im Rahmen der V4 in Themen, in denen wir mit anderen Staaten übereinstimmen". Generell sollten sich Tschechien wieder auf die Wirtschaftsdiplomatie konzentrieren und ihr mehr Raum geben. Die NATO ist nach Ansicht der Bewegung ein wesentlicher Pfeiler der Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit Tschechiens. Die Zusammenarbeit im Bündnis sollte verstärkt werden. Anstelle einer Zusammenarbeit in einer "Koalition der Willigen" bevorzugt ANO die bewährten Strukturen der NATO.
Die Unterstützung für die Ukraine wird von ANO kritischer gesehen
In der Frage der Unterstützung der Ukraine ist die bislang größte Oppositionspartei zurückhaltender als die derzeitige Regierung. ANO betrachtet Russland als Aggressor, der den gesamten Konflikt ausgelöst hat, sieht jedoch derzeit die Beendigung des Konflikts durch Diplomatie und Kompromisse als Priorität an. Der Vorsitzende der Bewegung, Andrej Babiš, erklärte im Laufe des Jahres, dass man "einen kühlen Kopf bewahren und strategisch denken müsse - und sich keine Illusionen über eine Niederlage Russlands machen" dürfe. Obwohl sich ANO in der Vergangenheit negativ über die tschechische Munitionsinitiative für die Ukraine geäußert und deren Einstellung angekündigt hatte, sprechen die Vertreter der Bewegung derzeit eher von einer Verlagerung auf die Ebene der Nordatlantischen Allianz.
Verteidigung:
Verteidigungsausgaben könnten leicht erhöht werden, die Anschaffungen müssen aber transparent sein
Die ANO-Partei spricht sich seit langem gegen eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben aus. Sie hält die derzeitigen 2 Prozent des BIP, also die ursprüngliche Verpflichtung im Rahmen der NATO, für ausreichend. Laut Babiš steigen die Verteidigungsausgaben parallel zum BIP. Als Reaktion auf die steigenden Verpflichtungen innerhalb der NATO räumt die Bewegung eine mögliche Erhöhung über 2 Prozent ein, fügt jedoch hinzu, dass die Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit nicht "zu einem Wettlauf um die Ausgabenquote im Verhältnis zum BIP" führen darf.
Die ANO-Bewegung befürchtet, dass der Druck zur Ausgabe von Geldern zu "intransparenten, sinnlosen und überteuerten Anschaffungen" führen könnte. Sie will, dass alle Verteidigungsausgaben transparent ausgeschrieben werden. In diesem Punkt kritisiert die ANO die derzeitige Regierung. Wegen angeblicher Intransparenz bei Aufträgen des Verteidigungsministeriums hat die Bewegung sogar Strafanzeige gestellt. Als verdächtig gelten beispielsweise ungeklärte Aufträge für den Militärgeheimdienst oder Unklarheiten beim Kauf von Feldküchen.
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