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27 Sep
Digitalisierung: Drohen die Piraten mit ihrem Paraderessort zu kentern?

Vieles läuft nicht rund in der Koalitionsregierung. Die Baustellen werden im wahrsten Sinne des Wortes immer mehr, und vor allem auch größer. Seit zwölf Jahren verspricht der Staat den Bauherren, die Bauverfahren zu digitalisieren. Die Regierungsspitze und das Ministerium für regionale Entwicklung (MMR) haben dafür mehrere Jahre lang eine große PR- und Werbekampagne auf die Beine gestellt und den Bauherren einen einfacheren und schnelleren Zugang zu Baugenehmigungen versprochen. Die Fördermilliarden aus europäischen Mitteln sollten dazu dienen, ein komplexes digitalisiertes System aufzubauen, dass sowohl den Bauherren, als auch den Baubehörden Effizienz und Einsparungen bringen sollte. Doch von dem, was seit langem versprochen wurde, ist auch nach mehreren Jahren kaum etwas umgesetzt worden.

Ivan Bartoš: Minister für regionale Entwicklung (Piraten)

Bild: Česká pirátská strana 

Warum ist die Digitalisierung der Bauverwaltung auch nach all den Jahren noch nicht in einem Zustand, in dem an der Entwicklung von Informationssystemen gearbeitet wird, geschweige denn, dass sie von der Baubranche beansprucht werden können?

Das seit langem vorbereitete Projekt der Digitalisierung der Bauverfahren wurde vom Amt für den Schutz des Wettbewerbs (ÚOHS) aufgrund von Ausschreibungsmängel seitens des MMR annulliert. Gleichzeitig mit der Annullierung verfasste das Ministerium für regionale Entwicklung einen neuen Ausschreibung "Sicherstellung der Digitalisierung von Bauverfahren", bei der angeblich ebenfalls Fehler gemacht wurden, sodass das ÚOHS abermals einschreiten musste und die Ausschreibung stoppte.

EU-Fördergelder werden voraussichtlich verfallen 

Die Frage ist nun, wie es weitergeht. Der Staat läuft Gefahr, Hunderte von Millionen Kronen (100 Mio CZK = 409 Mio. Euro) an EU-Geldern zu verlieren, wenn die Digitalisierung nicht rechtzeitig umgesetzt wird, und dieses Risiko wird aufgrund mangelnder Zeit immer größer. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass das Ministerium nicht einmal mehr mit den EU-Fördergeldern, die sie sich für das Projekt gesichert hatte und sich seit Jahren damit brüstet, rechnet.

Ivan Bartoš hat als Minister für Digitalisierung und Minister für regionale Entwicklungin der Regierung von Petr Fiala (ODS) die Verantwortung für die Digitalisierungsprojekte übernommen. Er versprach, dass dieses und nächstes Jahr einen Wendepunkt in der Digitalisierung der Bauverfahren darstellen wird.

Bis die Bauverfahren schnell und effizient umgesetzt werden können, wozu die Digitalisierung beitragen soll, wird die Tschechische Republik laut einem Evaluierungsbericht, der als Grundlage für das neue Baugesetz erstellt wurde, jedes Jahr mindestens über 7 Mrd. Kronen (286 Mio. Euro) ausgeben müssen. Zumindest sind dies die Schätzungen der Auswirkungen, die in der als Grundlage für das neue Baugesetz erstellten GFA bewertet werden. Die Schätzungen beeinhalten jedoch nicht die Inflation, die Preise für Baumaterialien und andere Bauleistungen, die sich seither verändert haben. Die tragische Wahrheit ist, das Tschechien dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit verliert. Der Staat hilft nicht beim Bau neuer Wohnungen, die knapp oder schwer zu finden sind, und er hilft sich auch nicht selbst, denn er hätte schon längst erhebliche Mittel einsparen können, indem er viele seiner eigenen Immobilien effizienter gestaltet hätte können. Sollte die Digitalisierung jemals umgesetzt werden, erwartet man, dass sich die durchschnittliche Zeit bis zur Erteilung einer Baugenehmigung um mindestens zwei Jahre verkürzt.

Dauer der Genehmigungsverfahren auf dem Niveau von Entwicklungsländern

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass die Dauer des Baugenehmigungsverfahrens in der Tschechischen Republik im internationalen Vergleich zu den aufwändigsten gehören. Tschechien befindet sich auf dem Niveau von Entwicklungsländern und wird sogar noch von Ländern wie Simbabwe, Gabun oder Bangladesch übertroffen. Laut dem Doing-Business-Bericht der Weltbank lag die Tschechische Republik zuletzt auf Platz 157 von 190 Ländern (2020), als ein Vergleich ergab, dass in Tschechien ein Baugenehmigungsverfahren im Durchschnitt 246 Tage dauert. Nur Länder wie Albanien, Kosovo und Bosnien und Herzegowina sind in Europa noch schlechter gereiht. Dem Bericht der Weltbank zufolge ist die hohe zeitliche und finanzielle Komplexität der Bauverfahren in der Tschechischen Republik vor allem auf die große Anzahl von Einzelgenehmigungen zurückzuführen, die Bauherren und Teilnehmer am Bauverfahren einholen müssen und die Komplexität der Verfahren, die man durchlaufen muss.

Quelle: Studie Datarun


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